Die Vorteile von Allianzen unter Großkonzernen werden generell überschätzt. Auch in der Autoindustrie, meint StZ-Redakteur Harry Pretzlaff.

Stuttgart - Selten war die Stimmung in den Autofabriken so unterschiedlich wie in diesem Frühjahr. Während die Mitarbeiter von Audi, Porsche und Daimler über Rekordprämien jubeln, geht bei Opel wieder einmal die Angst um den Arbeitsplatz um. Nachdem immer wieder Gerüchte über drohende Werksschließungen in Europa aus der Konzernzentrale der Opel-Mutter General Motors über den Atlantik gewabert sind, sieht der Riese aus Detroit nun die Rettung für die Rüsselsheimer Tochter in einer Allianz mit dem französischen Wettbewerber Peugeot.

 

Peugeot hat allerdings selbst Probleme, weil die Franzosen ebenso wie Opel viel zu stark auf die Heimatregion ausgerichtet sind. Während die deutschen Nobelmarken ebenso wie der VW-Konzern weltweit auf allen wichtigen Märken fest verankert sind, hängen Opel und Peugeot auf Gedeih und Verderb von Europa ab. Marktforscher sind sich jedoch einig, dass der Absatz hier in diesem Jahr schrumpfen wird und auch auf längere Sicht kaum spürbares Wachstum in Sicht ist. Wachstum versprechen vor allem Zukunftsmärkte wie China oder Indien.

Opel wird in die Zange genommen

Gerade Massenhersteller wie Opel werden zudem von zwei Seiten in die Zange genommen. Von oben kommen die Nobelmarken, die ihnen immer stärker auch bei Klein- und Kompaktwagen das Geschäft gerade mit jenen guten Kunden streitig machen, die gerne auch etwas mehr Geld für den fahrbaren Untersatz ausgeben. Von unten kommen aufstrebende ausländische Wettbewerber, die an kostengünstigen Standorten produzieren und für einen gnadenlosen Preisdruck verantwortlich sind. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis Chinesen und Inder das Erfolgsrezept der Japaner und Koreaner kopieren und den Verdrängungswettbewerb in Europa, wo es heute schon zu viele Autofabriken gibt, noch verschärfen werden.

Der größte Fehler von General Motors besteht darin, dass nur Chevrolet und Cadillac als Weltmarken gelten, während Opel als Regionalmarke in ein Korsett gezwängt wird, das den Rüsselsheimern immer stärker die Luft abschnürt. Dieses Problem kann auch durch die Allianz mit Peugeot nicht beseitigt werden. Allianzen sind in der Autoindustrie gerade sehr in Mode. So will BMW gemeinsam mit Peugeot schneller und kostengünstiger alternative Antriebe anbieten können. Daimler plant, gemeinsam mit Renault den kränkelnden Smart in die Gewinnzone zu bringen, indem der Kleinwagen zusammen mit dem Renault Twingo entwickelt und produziert wird. Unter dem Blechkleid sollen die Modelle viel gemeinsam haben. Dies spart Kosten, indem Teile in größeren Mengen eingekauft und produziert werden.

Größe ist keine Garantie für Erfolg

Gewiss kann Peugeot Opel in bestimmten Bereichen Entwicklungshilfe geben, wie etwa bei alternativen Antrieben. So haben die Franzosen weltweit als erster Autohersteller Wagen mit Dieselhybridantrieb im Angebot, doch werden die Vorteile solcher Allianzen erfahrungsgemäß überschätzt. Papier ist geduldig. Auch der heutige Bahn-Chef Rüdiger Grube rechnete in seiner Zeit als Daimler-Manager gerne vor, wie viel Geld gespart werden könne, indem generalstabsmäßig in Modelle von Chrysler und Mercedes-Benz Schritt für Schritt gleiche Teile eingebaut würden. Doch letztlich hat sich dies als Milchmädchenrechnung erwiesen. Ebenso wenig haben sich auch die hochfliegenden Erwartungen erfüllt, die General Motors im Jahre 2000 an eine Allianz mit Fiat knüpfte. Nur wenige Jahre später folgte eine teure Trennung.

Es zeugt schon von einem kurzen Gedächtnis und auch von einer gewissen Einfallslosigkeit, wenn der größte Autohersteller der Welt nun davon schwärmt, dass das Einkaufsvolumen durch die Allianz mit Peugeot noch viel größer werde. Gigantismus dürfte den Niedergang von Opel auf Dauer nicht stoppen. Denn Größe allein ist keine Garantie für Erfolg.