Die Europäische Union nimmt die Bankenaufsicht endlich ernst und etabliert eine grenzüberschreitende Aufsichtsbehörde mit großen Kontrollrechten. Ein großer Schritt, meint der Brüsseler StZ-Korrespondent Christopher Ziedler.

Brüssel - Die Wortschöpfung ist etabliert, aber misslungen. „Bankenunion“ – das klingt nach ungestörter Herrschaft des Kapitals, die in der Wahrnehmung der Bürger in der Krise auf die Spitze getrieben worden ist: Banker verzocken Unsummen, und die Bürger müssen dafür geradestehen. Selbst die milliardenschwere Solidarität mit Griechen und Spaniern entpuppt sich großteils als Rettungsaktion für potenzielle Pleiteinstitute, um den Geldfluss in die Realwirtschaft nicht zu gefährden und einen Systemkollaps zu verhindern. Da hört sich das Wörtchen „Bankenunion“ so an, als solle der Wahnsinn der vergangenen Finanzkrisenjahre zum Prinzip erhoben werden. Doch das Gegenteil ist richtig.

 

Die neue Bankenaufsicht, auf die sich Europas Finanzminister verständigt haben, und die weiteren Etappen, die der EU-Gipfel am Donnerstagabend besprochen hat, dienen letztlich dem Ziel, die wirtschaftspolitischen Verhältnisse wieder gerade zu rücken. Wer sich verzockt, muss bezahlen. Bis diesem Prinzip wieder Geltung verschafft wird, kann es leider noch einige Jahre dauern. Und es wird angesichts der Größe der Aufgabe noch viel Streit darum geben. Ihn auszutragen aber lohnt sich, denn am Gelingen hängt nicht weniger als das für eine Demokratie unerlässliche Gefühl, dass Gerechtigkeit zumindest möglich ist.

Gewaltiger europäischer Integrationsschritt

Mit der Bankenaufsicht, der Europaparlament und Bundestag noch zustimmen müssen, wäre zumindest der Einstieg geschafft. Dass die EU schon nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 versucht hatte, eine gemeinsame Kontrolle zu etablieren, aber nur einen machtlosen Dachverband nationaler Aufseher zustande bekam, verdeutlicht, wie gewaltig sich dieser neue europäische Integrationsschritt ausnimmt.

Er ist jedoch zwingend nötig, um eine Wiederholung der Geschichte zu verhindern. Ein dreistelliger Milliardenbetrag deutschen Steuergelds für die Hypo Real Estate und zweistellige Milliardensummen für verschiedene Landesbanken belegen ein einzigartiges Aufsichtsversagen. Ungehindert tätigten die Banken über unkontrollierte Tochterfirmen etwa in Irland mehr als dubiose Geschäfte. Dies ist künftig ein Fall für Europa: Den großen, grenzüberschreitend tätigen Instituten wird in Gestalt der Europäischen Zentralbank eine grenzüberschreitende Aufsichtsbehörde mit uneingeschränkten Kontrollrechten vorgesetzt – endlich!

Bedenken der Bürger müssen ernst genommen werden

Mindestens genauso wichtig wie das Verhindern neuer Milliardenlöcher ist die Frage, wie diese gestopft werden, sollten sie sich doch auftun. Hier tritt die Schwäche des europäischen Krisenmanagements offen zu Tage. Bis jetzt ist dafür nur der Rettungsschirm vorgesehen, für den bekanntlich Europas Bürger bürgen. Das wird zwar verhindern, dass das für eine Bankenrettung nötige Geld sofort die Verschuldung des jeweiligen Heimatstaates erhöht und diesen in die Pleite treibt, aber in den anderen Eurostaaten leidet das Gerechtigkeitsempfinden dafür noch stärker: Warum müssen wir spanische Banken retten?

Notreserven, welche die Geldbranche selbst bereitstellen, tun also not. Töpfe zur Abwicklung von Pleitebanken sowie zur Sicherung der Spareinlagen sollen den Kern der Bankenunion im wohlverstandenen Sinne bilden. Doch vor dem EU-Gipfel waren die entsprechenden Gesetzesvorhaben blockiert. Auf diesem lohnenswerten Weg voranzuschreiten wird jedoch nur gelingen, wenn die berechtigten Bedenken vieler Bürger ernst genommen werden.

Die EU-Kommission muss klipp und klar feststellen, dass in ihren Szenarien die Enteignung deutscher Sparer keine Rolle mehr spielt. Ein europäischer Einlagensicherungsfonds muss – so schön es wäre, ihn schnell zu haben – neu aufgebaut werden und darf nicht bereits existente Töpfe vergemeinschaften. Jeder dahingehende Versuch würde die gute Idee in eine schlechte verkehren – nicht nur dem Namen nach.