Die Landesregierung verschiebt zwar die Besoldungserhöhung bei den Beamten, aber deckelt sie nicht. Das ist fatal, weil dadurch mittelfristig die Schuldenlast des Landes erhöht wird, kritisiert der StZ-Redakteur Reiner Ruf.

Stuttgart - Maß und Mitte gehören seit den Tagen des Ministerpräsidenten Erwin Teufel zu den Leitsternen landespolitischer Rhetorik. Allenfalls der stets Entschlossenheit inszenierende Stefan Mappus bildete eine Ausnahme. Winfried Kretschmann hingegen hat sich Teufels Begriffspaar ganz zu eigen gemacht. Nur bei den Beamten legte er zuletzt eine ganz ungewohnte Radikalität an den Tag. Der Regierungschef, der in der Tradition christlicher Askese den materiellen Dingen des Lebens mit einer gewissen Gleichgültigkeit begegnet und in der Genügsamkeit eine der Kreativität förderliche Tugend erkennt, erklärte die Nullrunde für die Staatsdiener zu einer echten Option.

 

Dabei stand schon von vornherein fest, dass es so weit nicht kommen würde. Verteilungskämpfe, das weiß auch Kretschmann, eignen sich nicht als Anwendungsfall für ein franziskanisches Armutsideal. Da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Zudem konnten die Beamten eine Reihe von Gründen geltend machen, die ihr Verlangen nach mehr Geld rechtfertigen: die Steuerquellen sprudeln noch immer, und die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes sowie anderer Wirtschaftszweige verzeichnen zum Teil ordentliche Zuwächse.

Den Staatsdienern wäre mehr zuzumuten gewesen

Dazu kommt, dass der Spareifer der grün-roten Koalition abseits des Beamtensektors die Wahrnehmungsschwelle bisher nur partiell überschritten hat. So sehr man auch Kretschmann recht geben muss, dass bei einem Personalkostenanteil von 40 Prozent der Landesetat nicht saniert werden kann, ohne dass die Beschäftigten davon etwas mitbekommen, so deutlich ist zu betonen, dass die Haushaltskonsolidierung nicht allein den Staatsdienern auferlegt werden darf.

Dennoch sind Kretschmann & Co. mit der verzögerten, aber inhaltsgleichen Übertragung des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst der Länder in Höhe von 5,6 Prozent hinter dem zurückgeblieben, was den Staatsdienern zuzumuten und den Landesfinanzen dienlich gewesen wäre. Mögen sich die Beamtenverbände auch über die Wartefristen ärgern: am Ende kommt die Besoldungserhöhung doch bei ihnen an und erhöht das Einkommensplateau, aus dem sich die weiteren Gehaltszuwächse errechnen. Zudem bleibt die Lohnsteigerung der Beamten ungeschmälert durch Sozialabgaben. Angesichts dessen mutet die Kritik mancher Verbände an der Verschiebung maßlos und weltfremd an. In Sachen Arbeitsplatzsicherheit, Familienfreundlichkeit und Altersversorgung setzt der Staatsdienst nach wie vor Maßstäbe.

Die Schuldenlast wird langfristig erhöht

Zu einer Deckelung der Besoldungserhöhung wollte sich Grün-Rot nicht durchringen. Das ist fatal, weil eine bloße Verschiebung zwar kurzfristig den Haushalt sogar entlastet, bereits auf mittlere Frist aber die strukturelle Schuldenlast des Landes erhöht. Wenn die Landesregierung so weitermacht, kann sie die – grundgesetzlich bis zum Jahr 2020 eingeforderte – Rückführung der Neuverschuldung auf null in den Wind schreiben. Denn anders als uns die Beamtenverbände weismachen wollen, ist Baden-Württemberg finanzpolitisch keineswegs eine Insel der Seligen. Im Gegenteil, aufgrund des hohen Beamtenanteils dräuen dem Land in naher Zukunft besonders hohe Pensionsverpflichtungen.

Letztlich ging es der grün-roten Landesregierung bei ihrem Votum für eine volle, jedoch zeitlich gestaffelte Übernahme des Tarifabschlusses darum, ihren Frieden mit der Beamtenschaft zu machen. Den Ausschlag gab am Wochenende Volker Stich, der Chef des Landesbeamtenbunds, der bei einer bloßen Verschiebung der Besoldungserhöhung eine Regulierung des Protests in Aussicht stellte. Mag Grün-Rot die Besoldungserhöhung als Ausdruck des Grundsatzes von Maß und Mitte interpretieren – bezüglich des Landesetats ist festzuhalten: „In Gefahr und größter Not, bringt der Mittelweg den Tod.“