Am Tag nach der Bundestagswahl wird deutlich: Stuttgart und die Region drohen in Berlin weiter an Bedeutung zu verlieren. Daher ist nun vor allem die CDU gefordert, meint der StZ-Lokalchef Achim Wörner.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Am Tag danach standen auch aus regionaler Perspektive die Befindlichkeiten der einzelnen Parteien und Kandidaten im Blickpunkt der Analyse. Bei der FDP, die noch vor vier Jahren bei der Bundestagswahl in vielen Städten im Ballungsraum am Neckar zweitstärkste Kraft gewesen war, herrscht nach dem jähen Absturz nunmehr lähmendes Entsetzen; SPD und vor allem Grüne, die sich unaufhaltsam nach oben streben sahen, sind schwer ernüchtert. In beiden Fällen wird es nicht reichen, die Niederlage allein auf den Berliner Parteistrategen abzuladen. Vor allem den Stuttgarter Pakt, sich unter den möglichen Bündnispartnern gegenseitig mit Leihstimmen zu unterstützen, hat der mündige Wähler nicht goutiert. Und die CDU? Sie strotzt jetzt plötzlich wieder vor neuem Selbstbewusstsein – wohl ahnend, dass angesichts des Merkel-Bonus der Sonntag keinen echten Fingerzeig gibt für die Kommunalwahl im Mai nächsten Jahres.

 

Rückenwind aber verleiht das Ergebnis allemal. Und zweifellos ist die Momentaufnahme für die Union beeindruckend: Bei den Erststimmen haben die Christdemokraten bis auf in Göppingen in allen Wahlkreisen rund um die Landeshauptstadt die 50-Prozent-Hürde deutlich übersprungen. Und bei den Zweitstimmen gelang es immerhin, ganz nah am Landesdurchschnitt zu sein – in einer Gegend, die sich in aller Regel längst nicht so tief schwarz darstellt wie ländliche Gebiete in Oberschwaben oder dem Hohenlohischen. Damit knüpft die CDU in den an Stuttgart angrenzenden Gebieten an ihre allerbesten Zeiten an. Und auch in der Landeshauptstadt selbst, der vermeintlichen Grünen-Hochburg, ist im Vorfeld keineswegs mit dem Gewinn beider Direktmandate zu rechnen gewesen.

So groß die Freude bei der Union sein mag: getrübt wird sie durch die übergeordnete Erkenntnis, dass der Einfluss der Region Stuttgart in Berlin weiter zu schwinden droht. Nur 18 statt wie bisher 25 Abgeordnete aus einer der wirtschaftsstärksten Metropolen der Republik haben den Einzug in den Reichstag geschafft – so wenige wie seit Jahrzehnten nicht. Allein Stuttgart selbst hat auf einen Schlag zwei Mandatsträger weniger. Wer das Berliner Machtzentrum kennt, weiß, dass dies eine deutliche Schwächung sein wird im bundesweit hart geführten Verteilungskampf um neue Prestigeprojekte und Fördergelder.

Kein Vertreter aus der Region sitzt am Kabinettstisch

Erschwerend kommt hinzu, dass die Region in den vergangenen Jahren ganz unabhängig von der Zahl der Abgeordneten bereits einen Bedeutungsverlust erlitten hat. Vorbei sind die Jahre, da politische Schwergewichte, die im Kanzler-Umfeld direkt an den Schalthebeln der Macht saßen, die schwäbischen Farben vertreten haben – zum Vorteil der Kernregion des Landes. Das galt beispielsweise in der Ära des Bundesverkehrsministers Matthias Wissmann, der sich als Brückenbauer in die Region betätigt hat. Aber auch andere Namen stehen dafür wie jener des CDU-Verteidigungsministers Manfred Wörner aus Göppingen, von Walter Riester, ebenfalls aus Göppingen, der als Sozialdemokrat nicht nur wegen der gleichnamigen Rente deutliche Spuren hinterlassen hat, und anderen.

Zurzeit sitzt kein Vertreter aus der Region Stuttgart mehr am Kabinettstisch und in der Regierungszentrale der Kanzlerin. Vielmehr stehen die jetzigen Bundestagsabgeordneten allenfalls in der zweiten oder gar dritten Reihe. Das gilt etwa auch für den Waiblinger CDU-Strategen Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Faktion ist, oder für den Böblinger Christdemokraten Clemens Binninger, der sich im NSU-Untersuchungsausschuss einen Namen gemacht hat. Speziell die Unionskandidaten aus dem Landstrich zwischen Bietigheim, Böblingen und Böhmenkirch haben maßgeblich mit zum Merkelschen Coup und zu einem überdeutlichen Wahlsieg beigetragen. Daraus leiten sich nun berechtigte Ansprüche ab, in Berlin stärker Gehör und Berücksichtigung zu finden als dies zuletzt der Fall war.