Landtagspräsident Guido Wolf ist überraschend zum Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahl gekürt worden. Landeschef Thomas Strobl hat das Nachsehen. Nun muss Wolf Inhalte liefern, kommentiert der StZ-Redakteur Reiner Ruf.

Stuttgart - Im Stuttgarter Staatsministerium hat man das Duell um die CDU-Spitzenkandidatur angeblich ziemlich gelassen verfolgt. „Die CDU liegt bei 41 Prozent, egal wen sie aufstellen“, bemerkte dieser Tage ein Regierungsstratege mit Blick auf die seit langem festgefrorenen Umfragezahlen. Die Äußerung verrät eine gewisse Blasiertheit in der Betrachtung des CDU-Führungspersonals, aber auch den Respekt vor der Stärke der Partei. Dass die Südwest-CDU an den Umfragebörsen anhaltend freundlich notiert wird, ist zwar auch dem Renommee von Kanzlerin Angela Merkel geschuldet, ebenso jedoch das Ergebnis einer in Jahrzehnten gefestigten Verwurzelung der Christdemokraten in Baden-Württemberg. Dieses Wurzelwerk gibt noch immer Halt, auch wenn sich die Partei – personell ausgeblutet und ziemlich ideenlos – stetig von der ruhmreichen Vergangenheit entfernt.

 

Und doch verfügt die CDU auch dort noch über mobilisierungsfähige Ortsverbände, wo die Wähler von Grünen oder SPD an den Fingern zweier Hände abzuzählen sind. Wo immer auch der grün-rote Hase keuchend ankommt, der schwarze Igel ist schon da. Grün-Rot ist es auch nach dem Machtwechsel nicht gelungen, die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der CDU zu brechen. Auf diesem Fundament gründet die Zuversicht der Landes-CDU, Grün-Rot nach der nächsten Landtagswahl 2016 zu einer Fußnote der Landesgeschichte erklären zu können: ein bedauerlicher Betriebsunfall, mehr nicht. Nur der Ministerpräsident, der ist ein Problem. Der Popularität Winfried Kretschmanns setzen die Christdemokraten nun Guido Wolf entgegen. Dass ein Parlamentspräsident, machtpolitisch qua Amt ein Eunuch, zum Spitzenkandidaten avanciert, ist ungewöhnlich. Doch Wolf nutzte die Chance, die ihm sein Gegenspieler Thomas Strobl mit der Mitgliederbefragung eröffnet hatte.

Wolf kann Menschen gewinnen

Der Grund, dass der 53-jährige Oberschwabe das Rennen letztlich für sich entschied – ein schönes Beispiel für politische Dialektik –, ist im langen Schatten Kretschmanns zu suchen. Einem erfahrenen Politprofi traditioneller Strickart, wie Strobl ihn verkörpert, trauten die Christdemokraten nicht zu, gegen Kretschmann zu bestehen. Dann lieber Wolf, ein jenseits der Kommunalpolitik wenig profilierter Mann, der aber – das zeigt das Basis-Votum – Menschen für sich zu gewinnen versteht.

Strobl wäre der Gegenpol zu Kretschmann gewesen, Wolf ist eher sein Schattenriss. Inhaltlich hat die neue Nummer eins in der Südwest-CDU indes dringenden Nachholbedarf. Wolfs Attacken gegen Grün-Rot auf den Regionalkonferenzen standen in einem grotesken Missverhältnis zu den konkreten Ansagen, was unter einer CDU-geführten Landesregierung anders werden soll. Abzüglich wohlfeiler Bekundungen war da wenig – freundlich formuliert. In der Not sprach sich Wolf gegen die Umwidmung der traditionellen Martinsumzüge in „Sonne-, Mond- und Sterne“-Umzüge aus, wie sie die Linke(!) in Nordrhein-Westfalen (!) verlange.

Der Griff nach dem Landesvorsitz wäre fatal

Der Landes-CDU stehen aufregende Tage bevor. Als Spitzenkandidat hat Wolf Zugriff auf alle Ämter in Reichweite seiner Partei. Gefährdet ist vor allem Fraktionschef Peter Hauk. Denn Wolf benötigt erstens einen Apparat, der ihm zuarbeitet, und er braucht die parlamentarische Bühne, um Kretschmann Paroli bieten zu können. Der Griff nach dem Landesvorsitz hingegen wäre fatal. Schließlich kandidiert der gedemütigte Thomas Strobl auf dem Bundesparteitag kommende Woche erneut als Stellvertreter Angela Merkels im CDU-Bundesvorsitz. Zudem ist Wolf, will er die Landtagswahl gewinnen, auch auf jene Christdemokraten angewiesen, die Strobl gewählt haben. Gelangt Wolf ins Ziel, ist er der Held seiner Partei. Andernfalls ist er es, der im dicken Buch der Landesgeschichte nach unten in die Fußnoten wandert.