Der Streit zwischen dem Parteichef Seehofer und der Ministerin Aigner zeigt: die CSU pflegt keinen zeitgemäßen Umgang untereinander. Sie führt allenfalls Scheindebatten, kritisiert der StZ-Redakteur Mirko Weber.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Wildbad Kreuth - Was man sich in der CSU bisweilen persönlich herausnehmen darf, lässt sich ganz gut am Beispiel des Landrats Jakob Kreidl aus Miesbach in Oberbayern demonstrieren. Miesbach ist der Wahlkreis von Ilse Aigner. Auf Aigner wird noch zu kommen sein. Kreidl jedenfalls, Anfang 60 jetzt und ehemals Landtagsabgeordneter, war Karl-Theodor zu Guttenberg insofern voraus gewesen, als er am Ende seines späten Hochschulstudiums eine fleißig plagiierte Promotionsarbeit zum Kosovo-Konflikt einreichte. Heute ist Kreidl kein Doktor mehr. Anders kreativ wurde Kreidl in seiner Zeit als Landtagsabgeordneter im Münchner Maximilianeum. Wie während der sogenannten bayerischen Beschäftigungsaffäre im vergangenen Jahr herauskam, war seine Frau bis hinein in die Landratszeit auf Kosten des Steuerzahlers bei ihm angestellt.

 

Als Teile der Miesbacher Basis dann doch murrten, nannte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer Kreidl geburtstagshalber einen „guten Freund“. Das geschah, als dem Jubilar von der Kreissparkasse, deren Verwaltungsrat er vorsaß, die Festivitäten ausgerichtet wurden. Freilich „flog“ Kreidl nicht, um eine markige CSU-Formulierung aus jüngster Zeit aufzugreifen. Er sitzt, wenn auch zunehmend wacklig, im Amt, bis – wer weiß? – doch noch ein Machtwort gesprochen wird. Sprechen könnte es nur einer: Seehofer.

Seehofers Volkstribun-Rolle hat Tradition

Dass ausgerechnet Seehofer sein Gemisch aus angemaßter Imperator- und Volkstribunrolle derart ausleben kann, hat einerseits eine Tradition in der CSU. Franz Josef Strauß begründete den zweifelhaften Typus des Maximalbestimmers. Man wartete in der Partei meist kollektiv demütig, ob er den Daumen hob oder senkte. Edmund Stoiber kompensierte viel durch Imitation und überbordenden Fleiß. Als er komplett der Hybris verfiel, teilten sich mit Günther Beckstein und Erwin Huber zwei medienmachtpolitisch minderbegabte Ex-Adlaten das Erbe. Das kam weniger gut an. Seehofer wiederum, obwohl zuvor öfter und häufig zu seinem Schaden ein Außenseiter in der Partei, knüpfte nahtlos an Strauß an. Ohne Seehofers „So geht das!“-Diktum läuft nichts in der CSU. Aber geht das noch so? Heute? Offenbar schon.

Außer der mehr oder minder als freundliche Marionette installierten Gerda Hasselfeldt von der Berliner Landesgruppe ist keiner aus den inneren Zirkeln der christsozialen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner so richtig beigesprungen, als diese sich mit einem schlecht vorbereiteten (nicht generell schlechten) Entwurf zur Energiewende an den Kabinettstisch wagte. Vorher hatten der Chef und die als Chefin in spe gehandelte Aigner miteinander via Zeitungsinterviews kommuniziert. Das war neu.

Alle auf Seehofers Linie

Nicht neu war der Ausgang der Scheindiskussion. Aigner, unsäglicherweise als „Kronprinzessin“ gehandelt, jedoch zunächst auf Kontra eingeschworen, musste sich schleichen. Währenddessen bezog die CSU-Fraktion zeitgleich in Wildbad Kreuth nochmals trotzig hinter der durch Fakten unzureichend gesicherten rhetorischen Abwehrhaltung Deckung gegenüber Migranten aus Bulgarien und Rumänien. Alle auf Seehofers Linie.

Die CSU hat keinen zeitgemäßen Umgang untereinander. Sie führt, wenn überhaupt, Scheindebatten. Sie pflegt aber auch, schlimmer noch, aus Gründen der Machtmaximierung (Kommunal- und Europawahlen stehen ins Haus) einen mitunter schä(n)dlichen Umgang mit gesellschaftlichen Wirklichkeiten, über die sachlich zu reden wäre. Und was, bitte, wäre noch profund christlich an ihr? Die Interpretation der Parteiführung im Sinne falsch verstandener Gottvatertätigkeit ist es sicherlich nicht. Bayern scheint zunehmend im Begriff, sich via CSU und mit Horst Seehofer allein und selbstherrlich vorneweg zu isolieren. Merke aber: niemand ist eine Insel!