Die Evangelischen Kirche hat in Heinrich Bedford-Strohm einen neuen Ratsvorsitzenden gewählt. Die Wahl des bisherigen bayerischen Landesbischofs lässt auf bessere Zeiten für die EKD hoffen, meint der StZ-Redakteur Michael Trauthig.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Dresden - Ein guter Scherz entlarvt eine unangenehme Wirklichkeit mit einem Augenzwinkern. Genau dies ist ausgerechnet dem katholischen Kardinal Reinhard Marx auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gelungen. Seine Bemerkung zum anstehenden Führungswechsel bei den Protestanten – „Wenn Ihr ganz kopflos seid, übernehme ich das eben“ – trifft den Nagel auf den Kopf. Einerseits erscheint die EKD nach dem vorzeitigen Abschied zweier Ratsvorsitzender in einer einzigen Wahlperiode ihrer Synode personell ausgeblutet. Andererseits läuft ihr in der öffentlichen Wahrnehmung die konfessionelle Konkurrenz den Rang ab. Diese bietet mit ihren bunten Gewändern und archaisch anmutenden Riten den bildfixierten Medien nicht nur bessere Inszenierungen. Sie hat in Papst Franziskus auch eine Identifikationsfigur und eine zentrale Lehrinstanz, deren Wort global Beachtung findet.

 

Keine Alternative zu Bedford-Strohm

Kein Wunder also, dass Marx so selbstbewusst auftreten konnte. Und kein Wunder, dass viele EKD-Synodale mit der Wahl eines neuen Ratsvorsitzenden die Hoffnung auf bessere Zeiten verbinden. Die Kür Heinrich Bedford-Strohms durch das Kirchenparlament hat gute Gründe. Erstens gab es zu dem Bayern keine Alternative. Unter den leitenden Geistlichen blieb nach den Abgängen der vergangenen Jahre niemand mehr, der die nötige Erfahrung in dem Führungsgremium der Protestanten mit sich bringt. Und es gab keinen, der so jung ist, dass er Aufbruchstimmung erzeugen kann. Zweitens bürgt seine Wahl für Kontinuität in inhaltlichen Fragen. Bedford-Strohm steht wie seine Vorgänger für einen selbstbewussten Protestantismus, eine moderne Kirche, die ihre Strukturen hinterfragt und den Kontakt mit den Zeitgenossen auf allen Kanälen sucht. Wie Nikolaus Schneider verfügt er über einen scharfen Verstand, hohen Gerechtigkeitssinn und einen festen Standpunkt.

Sein forscheres Temperament unterscheidet ihn allerdings ebenso von seinem Vorgänger wie sein rhetorisches und organisatorisches Geschick. Innerkirchlich dürfte also kein Kurs-, wohl aber ein Stilwechsel folgen. Dies wäre ein Fortschritt. Nikolaus Schneider wurde zwar zu Recht für seine seelsorgerlichen Qualitäten, seine Menschlichkeit, seinen Fleiß und sein Moderationsgeschick gelobt. Weil es ihm aber an Führungsstärke mangelte, gab es unter seiner Ägide zu viele kommunikative Schnitzer und Managementfehler.

Die EKD-Spitze soll Orientierung bieten

Ein EKD-Papier, das moderne Lebensformen wie die Homo-Ehe würdigte, wies sachlich zwar in die richtige Richtung, war aber theologisch schwach und deshalb angreifbar. Die Umstellung bei der Kirchensteuer auf Kapitalerträge wurde von der EKD (wie von der katholischen Kirche) dem Publikum nicht richtig vermittelt. Zigtausende kehrten den Glaubensgemeinschaften aus Frust darüber den Rücken. Für Verwirrung in der Öffentlichkeit sorgten zudem die sich scheinbar widersprechenden Stellungnahmen von führenden EKD-Repräsentanten in der Friedensfrage. Während die Luther-Botschafterin Margot Käßmann ihre pazifistischen Utopien formulierte, machten sich andere für einen Militäreinsatz im Nordirak stark.

Zwar gehört der Meinungspluralismus zur evangelischen Kirche. Doch die Aufgabe der EKD-Spitze ist es, nicht zu lavieren. Sie soll koordinieren, Linien vorgeben und Orientierung bieten. Dem energischen und quicken Bedford-Strohm ist zuzutrauen, dass er die Zügel in der EKD kürzer führt und so für eine bessere Abstimmung sorgt. In der Folge könnte er den Protestantismus wieder stärker ins Rampenlicht rücken. Das wäre nicht nur Werbung in eigener Sache. Es entspräche vielmehr dem ureigenen Auftrag, der Welt von heute das Evangelium nahezubringen und für menschenwürdige Verhältnisse einzutreten. Davon würde die ganze Gesellschaft profitieren.