Der Energiekonzern EnBW will in Zukunft ganz auf die Ziele der Energiewende in Deutschland setzen. Dies kündigt Vorstandschef Frank Mastiaux an. Doch seine Strategie klingt in vielen Teilen altbekannt, kritisiert die StZ-Redakteurin Eva Drews.

Stuttgart - Da ist sie nun also, die neue Strategie der EnBW: Neun Monate nach seinem Antritt hat der neue Konzernchef Frank Mastiaux endlich vorgestellt, wie der drittgrößte Energieversorger Deutschlands seinen Bestand sichern will. Der Anteil an erneuerbaren Energien – vor allem Windkraft – soll deutlich steigen, zugleich will die EnBW anders als ihre Konkurrenten nicht nur ihr Strom- und Gasnetz behalten, sondern auch in diesen Bereich investieren. Und schließlich will der Karlsruher Konzern als Dienstleister in verschiedenen Bereichen ein attraktiver Partner werden. Sieben Milliarden Euro sollen bis zum Jahr 2020 in diese Wachstumsfelder fließen und so ein Ergebnis ermöglichen, das in etwa auf dem heutigen Niveau liegt.

 

Um es gleich vorwegzusagen: das ist bescheiden – zumindest gemessen an dem, was die EnBW in den Jahren ihres Bestehens seit 1997 sein wollte und sollte. Vom Bild des Drittplatzierten unter den vier Großen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall Europe, vom Bild des mächtigen Platzhirsches im deutschen Südwesten, ist nicht mehr viel übrig. Dass auch Mastiaux und sein konzerninternes Denkerteam nicht auf die eine brillante Idee gekommen sind, die dem Konzern eine neue Perspektive eröffnet, zeigt, wie vertrackt die Situation in Deutschland für Energieriesen wie die EnBW geworden ist.

Zu lange in der Bräsigkeit verharrt

Die Energiewende steuert auf ein dezentrales System hin, in dem die Großen von gestern zu Dinosauriern zu werden drohen, deren Aufgabe oft nur noch darin liegt, mit ihren Großkraftwerken einzuspringen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Entsprechend gehen die Erträge von konventionellen Gas- und Kohlekraftwerken dramatisch zurück.

Hinzu kommt, dass die EnBW viel zu lange in ihrer Bräsigkeit verharrt hat. Noch im Jahr 2007 träumte der damalige Konzernchef Hans-Peter Villis öffentlich von einem neuen Atomkraftwerk – obwohl damals der ursprüngliche Atomausstiegsbeschluss der Regierung Schröder galt. Auch Villis sprach davon, den Anteil erneuerbarer Energien am EnBW-Erzeugungsmix ausbauen zu wollen, doch sehr viel mehr als ein Lippenbekenntnis war das nicht.

Ein Déjà-vu-Erlebnis ist auch Mastiaux’ Plan, die Konzernkomplexität verringern zu wollen: Nicht nur Villis, auch dessen Vorgänger Utz Claassen hatte sich das schon ins Pflichtenheft geschrieben. Sie sind nicht weit gekommen – jedenfalls nicht weit genug, wenn man sich die Zahl von 350 Beteiligungen und Töchtern vor Augen hält. Da ist von Windparks in Uruguay oder Südafrika bis zur mobilen Mülltonnenreinigungsfirma so manches dabei, das sicher nicht zum Kerngeschäft der EnBW zählt.

Eine neue Kultur im Unternehmen ist notwendig

Mit seinen Plänen stellt sich Mastiaux nun demonstrativ hinter die Energiepolitik Deutschlands und Baden-Württembergs. Sollte die EnBW scheitern – und das ist durchaus nicht ausgeschlossen – , dann ist das auch ein Versagen der Politik, die nicht in der Lage ist, verlässliche Rahmenbedingungen für das Mammutprojekt Energiewende zu schaffen.

Doch nicht nur nach außen wird Mastiaux kämpfen müssen. Über Wohl und Wehe der Umstrukturierung wird nicht zuletzt auch entscheiden, ob es gelingt, eine neue Kultur im Unternehmen zu etablieren. Bislang genießt die EnBW den Ruf, behäbig und arrogant zu sein. In zahlreichen Konflikten hat sich der Konzern oft genau das verscherzt, was er jetzt zum Überleben braucht: das Vertrauen der Kunden. Mastiaux hat erkannt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Um etwas zu erreichen, braucht er nicht nur die Begeisterungsfähigkeit, sondern vor allem auch das Vertrauen seiner Belegschaft. Gestern war – entgegen aller Befürchtungen – von einem Stellenabbau nicht die Rede. Dass diese Aussage in den kommenden Monaten Bestand hat, wird von entscheidender Bedeutung für das Gelingen von Mastiaux’ Plänen sein.