Bürgermeister Föll hat der Bahn den Bau einer Kita im Europaviertel erlassen. Dabei wäre die Einrichtung in dem von Konsum geprägten Quartier mehr als nur ein Symbol gewesen, meint StZ-Autor Sven Hahn.

Stuttgart - Wahrscheinlich hat Finanzbürgermeister Michael Föll recht. Die Kinder, die mit ihren Eltern ins Europaviertel ziehen, können vermutlich angemessen in den verschiedenen Einrichtungen betreut werden, die in der Umgebung des neuen Stadtquartiers entstehen. Trotzdem ist es ein falsches Signal, die Bahn aus ihrer Pflicht zu entlassen, die wichtige Infrastruktur für die Bewohner des neuen Quartiers zu schaffen.

 

Am Vorgehen des Bürgermeisters gibt es gleich mehrere Kritikpunkte. Erstens: dass die Gemeinderäte nach eigenem Bekunden zu spät über den Verzicht informiert wurden, ist wenig transparent. Dabei müsste die Verwaltung inzwischen begriffen haben, dass Transparenz in allen Bereichen, insbesondere aber in denen mit Bezug zum Umbau des Hauptbahnhofs, mehr als notwendig ist. Kein Entscheidungsträger sollte sich in diesem Zusammenhang freiwillig einer undurchsichtigen Politik bezichtigen lassen.

Zweites sind die rund 511 000 Euro, die die Bahn quasi als „Ausstiegsgebühr“ nun bezahlen muss, mittlerweile nicht mehr angemessen. Sie sind das Äquivalent zu einer Million Mark. Diese Summe wurde 1998 für den Bau der Betreuungseinrichtung veranschlagt und ist aus heutiger Sicht viel zu gering für den Bau einer Kita. Die Stadt hätte den Betrag daher dringend nachverhandeln und den aktuellen Baupreisen anpassen müssen.

Die beste Lösung wäre es aber ohnehin gewesen, auf den Bau der Kita im Europaviertel zu bestehen. Das Quartier ist geprägt von Luxushotels, Bürokomplexen und Einkaufszentren. Im Lauf der Zeit ist der Anteil der Wohnungen jedoch deutlich gestiegen. Aber eine angemessene Infrastruktur für die kleinsten Bewohner des neuen Stadtquartiers fehlt. Die Kita wäre ein wichtiges Symbol in einem von Konsum geprägten Viertel gewesen.

Zudem wird das Verkehrsproblem rund um Milaneo und Bahnhofsbaustelle durch den Kita-Verzicht potenziell noch verstärkt. Die verkehrliche Lage dort bereitet den Stadtplanern schon jetzt große Sorgen. Künftig werden die Eltern ihre Kinder wohl mit dem Auto aus dem Europaviertel zu den Kitas in der Umgebung bringen. Sicher, rein zahlenmäßig handelt es sich dabei nicht um viele Fahrten. Doch im staugeplagten Stuttgart wäre eine Kita im neuen Quartier zumindest ein Signal gewesen – und ein kleines Stück mehr Lebensqualität.

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