Für manche Optimisten ist bereits das Ende der Eurokrise erreicht. Doch das minimale Wachstum in der Eurozone ist nicht mehr als eine Momentaufnahme, meint der StZ-Redakteur Roland Pichler. Er sieht noch keine Trendwende.

Berlin - Es gibt Propheten, die schon das Ende der Eurokrise ausrufen. Doch solche Vorhersagen sind mit Vorsicht zu genießen. Die aktuellen Wachstumszahlen der Eurozone sind nicht mehr als Momentaufnahmen. Im letzten Quartal hat die Wirtschaft in der Eurozone erstmals seit 2011 wieder leicht zugelegt. Das sind erfreuliche Signale, dennoch ist Jubelstimmung unangebracht. Nach wie vor kämpft Südeuropa mit Massenarbeitslosigkeit und Überschuldung. Aus einem Miniwachstum in einem Vierteljahr lässt sich wohl keine Trendwende ableiten. Dass viele Länder beim Wachstum erstmals wieder ein Pluszeichen sehen, ist ein Hoffnungsschimmer, mehr nicht. Die Bundesregierung sollte sich also davor hüten, die besseren Daten schon als Durchbruch darzustellen.

 

Das gilt auch mit Blick auf ökonomische Lage in Deutschland. Dass Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) angesichts der deutschen Konjunkturzahlen schon den Aufschwung ausruft, ist ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver. Natürlich ist es gut, wenn die deutsche Wirtschaft wieder wächst. Dennoch ist die größte Volkswirtschaft Europas von einem robusten Aufschwung weit entfernt.

Kein Anlass zur Selbstzufriedenheit

Das zeigt schon die zunehmende Zahl von Unternehmen, die in den vergangenen Wochen einen Stellenabbau verkündet haben. Wenn es weiterhin gut läuft, dürfte die Wachstumsrate in diesem Jahr bei ungefähr einem halben Prozent liegen. Damit bleibt die Bundesrepublik unter ihren Möglichkeiten. Für Selbstzufriedenheit der Regierung gibt es wenig Anlass. Nach der Wahl muss die deutsche Politik Antworten finden, wie sie die Erholung verstärken kann. Im Wahlkampf wird darüber leider wenig gesprochen.

Immerhin kann sich die Bundesregierung in einem Punkt bestätigt sehen: Die aktuellen Daten deuten darauf, dass die Europastrategie der Bundeskanzlerin richtig ist. Die Eurozone überwindet ihre Schwierigkeiten nur, wenn die Länder ihre Haushalte sanieren, Wirtschaft und Staatswesen reformieren. Nur mit einer grundlegenden Modernisierung kommt Europa voran. Auch die Finanzmärkte scheinen dies zu erkennen. Die Angst vor dem Zerfall der Eurozone ist verflogen. Frankreich, Italien und Spanien können wieder zu niedrigen Zinsen Kredite aufnehmen. Während beispielsweise Madrid auf dem Höhepunkt der Krise für zehnjährige Anleihen rund sieben Prozent Zinsen zahlen musste, werden mittlerweile nur noch 4,5 Prozent fällig. Das ist ein Zeichen der Entspannung.

Zeit für den Staatsumbau nutzen

Dennoch ist es für eine Entwarnung zu früh. Die Lage hat sich vor allem deshalb beruhigt, weil die Europäische Zentralbank die Märkte mit Geld flutet und zudem eine Art Garantieerklärung für die Eurozone abgegeben hat. Die Zentralbank will den Krisenländern Zeit verschaffen, damit sie ihre Probleme in den Griff bekommen. Entscheidend ist jedoch, dass die Länder die Zeit für den Staatsumbau nutzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Ob dies in dem notwendigen Umfang geschieht, ist zweifelhaft. So lässt beispielsweise Frankreich bis jetzt nur einen gebremsten Reformeifer erkennen.

Verfrühte Erfolgsmeldungen können sich als hinderlich erweisen. Geradezu fatal wäre es, wenn in der Eurozone der Eindruck entstünde, die notwendigen Hausaufgaben seien bereits erledigt. Schon jetzt besteht in einigen Staaten die Neigung, Reformen langsam anzugehen. Von besseren Quartalszahlen sollten sich Regierungen nicht täuschen lassen. Die Lage bleibt fragil. Das zeigt schon der Blick auf Griechenland. Die bisherigen Milliardenzusagen für das Land werden entgegen allen Beschwichtigungen aus Berlin nicht ausreichen. Die Verschuldung Griechenlands dürfte in diesem Jahr auf mehr als 170 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Ohne neues Geld und Schuldenerleichterung kommt Athen nicht über die Runden. Die europäische Krise ist nicht überwunden.