Was wird aus der FDP? Die wenigen Hoffnungsträger der Freien Demokraten lähmen sich gegenseitig. Brüderle als Parteichef, Lindner als Spitzenkandidat. Nur so kann es gehen, sagt Thomas Maron.

Berlin - Was wird aus der FDP? Die Frage ist kaum leichter zu beantworten als jene nach der Zukunft des Euro. Der Parteichef Philipp Rösler gilt als Fehlbesetzung. Aber die wenigen Hoffnungsträger der Partei lähmen sich gegenseitig. Wolfgang Kubicki, der Fraktionschef mit dem großen Ego aus dem kleinen Schleswig-Holstein, ist ein blitzgescheiter Kopf. Er hat aber jüngst erneut dokumentiert, dass er trotz seiner sensationellen Aufholjagd bei der Landtagswahl im Mai wegen chronischer Unberechenbarkeit für eine Neuordnung der Partei nicht zu gebrauchen ist. Er hat den geschwächten Rösler ohne jede Vorbereitung angegriffen. Er hat Lindner gegen dessen Willen ins Spiel gebracht. Er hatte einen großen Auftritt, das ja. Aber auch in der FDP liebt man zwar den Verrat, nicht aber den Verräter – schon gar nicht, wenn dieser keinen Plan hat.

 

Lindner betrachtet NRW als Labor

So wie Kubicki im Norden hat Christian Lindner bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen das Unmögliche möglich gemacht. Aber dann hat er um das Land einen Zaun gezogen. Er spricht von „meiner FDP“, gibt zu erkennen, dass er mit „der anderen“ im Bund nichts zu tun haben will. Lindner betrachtet NRW als Labor, will die Partei dort konziliant, menschennah, weltgewandt präsentieren. Er will die FDP aus der unseligen Umklammerung der Union lösen und für Bündnisse mit SPD und Grünen öffnen. Er weiß aber auch, dass die FDP gar nicht in der Position ist, darüber, wie Kubicki es getan hat, öffentlich zu spekulieren. Selbst wenn sie den Einzug in die Parlamente schafft, ist die Frage derzeit nicht: mit wem will die FDP? Die Frage ist: wer will mit der FDP? Erst wenn „seine FDP“ in NRW auch in politischen Lagern jenseits der Union wieder Fantasien weckt, will Lindner auch die Bundespartei nach seinem Willen formen, als habe er alle Zeit der Welt.

Brüderle und Lindner wollen sich nicht zerreiben

Fraktionschef Rainer Brüderle ist der Dritte im Bund der letzten Hoffnung. Er ist der Mann der „Brot-und-Butter-Themen“, die Galionsfigur der konservativen Wirtschaftsliberalen. Lindners Politikansatz tut Brüderle als „Säuselliberalismus“ ab. Aber auch er bleibt in Deckung, als sei gesicherte Erkenntnis, dass am Ende die FDP schon siegen werde. Brüderle will sich – so wie Lindner – nicht zerreiben lassen. Beide sind lieber Lichtgestalten rivalisierender Strömungen, als diese zu versöhnen.

An dieser Aufgabe soll weiter der bedauernswerte Rösler scheitern. Ihn schob man an die Spitze, damit ihn am höchsten Punkt der Partei die Blitze der vielen Unzufriedenen treffen. Hinter seinem Rücken glaubten die Anhänger der Parteiflügel in den vergangenen Monaten, den Machtkampf um die Ausrichtung für sich entscheiden und nebenher noch offene persönliche Rechnungen begleichen zu können.

Rösler weiß nicht, was er noch ungestraft tun darf

Rösler hat Fehler gemacht, aber er ist nicht das größte Problem der FDP. Gleichwohl spiegelt sich in seiner Person deren missliche Lage so deutlich wie in keiner anderen. Denn Rösler weiß nicht mehr, was er in dieser Partei noch ungestraft wollen darf. Eigentlich war er ja mal auf Lindners Kurs, dann aber riss er das Steuer herum. Seitdem orientiert er sich an Brüderles wirtschaftsliberalen Koordinaten. Keines der beiden Lager hat es ihm je gedankt. Rösler wird, wie einst der ehemalige SPD-Chef Kurt Beck, zerrieben zwischen den Gestaltungsdogmen zweier Strömungen, die sich wechselseitig den entscheidenden Schlag versetzen wollen.

Einzig Lindner und Brüderle, der junge Feingeist und der erfahrene Marktwirt, sind in der Lage, die selbstzerstörerische, interne Rivalität zu beenden und den Blick wieder auf den Wettbewerb mit der politischen Konkurrenz zu richten. Dafür müssten sie sich aber zusammentun, ihre Ressentiments überwinden. Brüderle müsste an die Spitze der Partei rücken und Lindner als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl antreten. Nur so könnte die FDP das Schicksalsjahr 2013 überstehen.