Westerwelles Nachfolger ist geschwächt, noch bevor er sein Amt antritt. Röslers Aufgabe ist eine programmatische Erneuerung der FDP, meint Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die Urväter der Liberalen waren Revolutionäre. Von ihren heutigen Repräsentanten lässt sich das nicht behaupten. Der designierte FDP-Vorsitzende Philipp Rösler ist alles andere als ein Putschist. Schon dies unterscheidet ihn übrigens von seinem Vorgänger Guido Westerwelle. Röslers zaudernder Aufstieg an die Spitze der Partei zeugt weder von Mut noch von ausgeprägtem Machtinstinkt. Das ist noch keine Schande für einen demokratischen Politiker, könnte auf seinem künftigen Posten aber zum Problem werden.

 

Die FDP wagt einen Neuanfang mit vielen Altlasten: Westerwelle darf Außenminister bleiben, obwohl er in diesem Amt bisher wenig Fortune bewiesen hat. Das war offenkundig der Preis für seinen Rückzug von der Parteispitze. Die ungeliebte Fraktionsvorsitzende Homburger erhält zumindest eine Schonfrist. Der koalitionsschädliche Dampfplauderer Brüderle verharrt auf dem Sessel des Wirtschaftsministers und dient damit als Denkmal der ersten Niederlage Röslers. Der ist schon geschwächt, bevor er sein neues Amt überhaupt antritt.

Eigentlich hatte sich Rösler vorgestellt, auf einen der klassischen Kabinettsposten zu wechseln, um als Vizekanzler ein größeres Gewicht in der Regierung zu haben. Aber der Parteigrande Brüderle ließ sich nicht wegmobben. Das spricht für eine sehr begrenzte Macht des Vorsitzenden in spe. Als Gesundheitsminister agiert er aus einer Verliererposition. In diesem Job, den Rösler seit anderthalb Jahren versieht, ist jeder zur Erfolglosigkeit verdammt. Dafür sorgen unter schwarz-gelben Verhältnissen schon die Herren Seehofer und Söder. Der Gesundheitsminister ist der Sisyphos der Regierung – und im politischen Geschäft muss man sich diesen als glücklosen Menschen vorstellen. Das ist Röslers Handicap.

Der Liberalismus muss neu erfunden werden

Damit kein Missverständnis aufkommt: die FDP wäre schlecht beraten, würde sie sich ausschließlich der Generation der ewigen Jungliberalen anvertrauen, zu der Rösler zählt. Juvenilität ist kein politischer Wert an sich. Das lehrt Westerwelles ganzes Gebaren bis hin zu seinem unrühmlichen Abgang. Politiker wie Brüderle verkörpern eine Tradition, die mit dem von ihm selbst so verspotteten „Säuselliberalismus“ der Westerwelle-Epigonen wenig gemein hat. Er trägt aber höchstpersönlich Schuld am Wahldesaster des vorletzten Wochenendes. Deshalb wäre es nur angemessen, wenn auch er Konsequenzen ziehen würde – nicht nur in Rheinland-Pfalz. So oder so ist der FDP mit Personalmanövern allein nicht zu helfen. Röslers eigentliche Aufgabe ist eine umfassende programmatische Erneuerung. Das bedeutet nichts weniger, als den Liberalismus neu zu erfinden, ihn zu übersetzen in die Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts. Da geht es vor allem darum, verlorene Glaubwürdigkeit zurückzuerobern.

Die Kanzlerin wird erleichtert sein, dass die FDP sich endlich neu sortiert hat – und der unausweichliche Machtwechsel keine neuerlichen Rochaden im Kabinett nach sich zieht. Sie verliert auf der Position des Vizekanzlers einen langjährigen Vertrauten und bekommt einen Juniorpartner. Falls der gehofft haben sollte, Angela Merkel könnte unter den obwaltenden Umständen zu Korrekturen am Stellenplan der Regierung zugunsten der Liberalen bereit sein, so war dies schlichtweg eine Illusion. Warum sollte Merkel der FDP helfen, ihre Existenzkrise zu bewältigen? Warum sollte ihr daran gelegen sein, die Machtbasis eines Herrn Rösler zu stärken? Alles, was ihn schwach hält, stärkt letztlich nur sie.

Rösler wird sich nun als Erneuerer der FDP profilieren müssen. Damit drohen der Koalition neue Belastungsproben. Für Merkel sind die Perspektiven trotz allem nicht ungünstig. Wenn es ihr gelingt, im zweiten Anlauf eine verantwortungsvolle Energiewende in die Wege zu leiten, dann stehen ihr als Kanzlerin des Atomausstiegs Machtoptionen offen, bei denen die Liberalen keine Rolle mehr spielen werden.