Der Vorstoß der EU-Kommissarin Viviane Reding für eine Frauenquote in den Aufsichtsräten von Unternehmen ist nur symbolischer Natur, kritisiert die StZ-Redakteurin Barbara Schäder. Denn die Vorstände bleiben außen vor.
Frankfurt - Die EU-Kommissarin Viviane Reding spricht von einem „historischen Tag“. Nach langem Ringen hat sich die Luxemburgerin zumindest auf dem Papier durchgesetzt: Bis 2020 sollen börsennotierte Unternehmen europaweit 40 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzen. Doch der Teufel steckt wie immer im Detail, hier im Verb „sollen“. Für eine Lösung, die einen Zwang beinhaltet, bekam Reding nämlich innerhalb der EU-Kommission keine Mehrheit.
Der jetzt verabschiedete Richtlinienvorschlag sieht zwar einen Frauenanteil von 40 Prozent vor, lässt den Unternehmen aber eine Hintertür offen: Sofern ein Konzern das geforderte Ziel nicht erreicht, muss er lediglich die Gründe dafür erläutern und Besserung geloben – dann bleibt er von Sanktionen verschont. Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro sind von den Vorgaben ohnehin ausgenommen. Dasselbe gilt für Aktiengesellschaften mit einer zu 90 Prozent männlichen Belegschaft.
Vorstände bleiben außen vor
Doch selbst dieser windelweiche Kompromiss stößt in den Mitgliedstaaten auf Widerstand: Die Bundesregierung warf der EU-Kommission vor, ihre Kompetenzen zu überschreiten. Tatsächlich gibt es für eine europaweit einheitliche Regelung keine zwingenden Argumente. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum der Vorschlag so schwach ausfällt. So traute sich die Kommission an eine Quote für Unternehmensvorstände gar nicht erst heran, weil sie damit ins nationale Gesellschaftsrecht eingegriffen hätte. Damit bleibt ausgerechnet das in den meisten Konzernen mächtigste Gremium außen vor.
Der Quotenvorschlag für Aufsichtsräte ist vor allem symbolischer Natur, denn in den Kontrollgremien sitzen – wenn man von den Arbeitnehmervertretern absieht – meistens mehrheitlich Externe, die ihre Karriere gar nicht im jeweiligen Unternehmen absolviert haben. Einen großen Anreiz für die gezielte Förderung weiblicher Führungskräfte liefert der Vorstoß also nicht. Hier kann die Zusammensetzung des Aufsichtsrats lediglich indirekt Fortschritte bringen, wenn die Kontrolleurinnen verstärkt auf mehr Frauenpower im operativen Geschäft dringen. Außerdem würden diese Frauen auch eine Vorbildfunktion erfüllen, selbst wenn der Einfluss von weiblichen Aufsichtsräten auf den Unternehmenserfolg begrenzt ist. Sie wären ein sichtbares Zeichen dafür, dass wirtschaftlicher Sachverstand nicht allein der Männerwelt vorbehalten ist.
Besser als die Flexi-Quote
Eine rechtsverbindliche, nationale Regelung unter Einbeziehung von Konzernvorständen wäre dem EU-Quotenmodell zweifellos vorzuziehen. Doch verglichen mit der Flexiquote von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat der Kommissionsvorschlag einen Vorteil: Er nennt eine konkrete Zahl. Bei allen Ausweichmöglichkeiten wäre es für große Konzerne doch ziemlich peinlich, die 40 Prozent bis 2020 nicht zu erfüllen. Immer vorausgesetzt, dass eine Mehrheit der EU-Staaten dieser Zielvorgabe zustimmt.
Die Chancen dafür sind nicht besonders hoch, denn bislang gibt es lediglich in elf der 27 EU-Staaten gesetzliche Regeln für mehr Gleichberechtigung in den Topetagen von Unternehmen. Neben Berlin dürften sich also zahlreiche weitere Hauptstädte gegen den Kommissionsvorschlag aus Brüssel wehren – unter dem Gesichtspunkt des viel beschworenen Subsidiaritätsprinzips hätten sie damit sogar recht.
Doch auch wenn der Kommissionsvorschlag am Widerstand der Mitgliedstaaten scheitern sollte – ein Ziel hat Reding erreicht: Sie hat der Debatte über mehr Gleichberechtigung in den Führungsetagen von Unternehmen neuen Schwung gegeben. Und die Bundeskanzlerin wird sich gut überlegen müssen, ob sie beim Nein zu einer nationalen Quote bleibt.