Union und SPD haben viele neue Wohltaten in ihren Koalitionsvertrag hinein geschrieben. Doch sie haben die enormen Belastungen daraus in die Zukunft verschoben, kritisiert der StZ-Redakteur Roland Pichler.

Berlin - Höheres Kindergeld: gestrichen. Bafög-Reform: unsicher. Modernisierung der Infrastruktur: dafür gibt es nur etwas mehr Geld. Die Beispiele aus dem Koalitionsvertrag zeigen, dass die finanziellen Spielräume gering sind. Darüber sollte man nicht klagen, denn dahinter steht das lobenswerte Ziel von Union und SPD, in zwei Jahren einen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen. Wenn der Staat damit aufhört, einen Teil seiner Ausgaben auf Pump zu finanzieren, betreibt er eine Politik im Sinne der Jungen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Dieser Erfolg droht aber durch andere gewichtige Entscheidungen der Koalition zunichtegemacht zu werden. Selten zuvor hat ein Bündnis so einseitig zu Lasten der Jüngeren geplant.

 

Über den Ausgleich der Generationen wird viel geredet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berief im vergangenen Jahr über die Republik hinweg Konferenzen ein, um mit Bürgern über die demografischen Herausforderungen zu sprechen. Die Bundesregierung richtete vor einigen Jahren sogar einen Nachhaltigkeitsrat ein, der sie beim Streben nach einer auf Dauer angelegten Politik unterstützt.

Die Politik muss eine Balance finden

Die Koalitionspartner in spe können die Wissenschaftler gleich wieder nach Hause schicken: Dass Regierungen und Parlamente in der Vergangenheit häufig in die Rentenkasse griffen, um soziale Wohltaten zu bezahlen, ist bekannt. Mit dem jetzigen Versuch setzt Schwarz-Rot jedoch vieles von dem aufs Spiel, was in den vergangenen Jahren das Rentensystem stabil gemacht hat. Eine solide Politik ist das nicht.

Natürlich haben auch die Älteren berechtigte Anliegen. Über mehrere Jahre hinweg mussten Ruheständler mit Nullrunden auskommen. Die Politik hat die schwierige Aufgabe, eine Balance zu finden. Genau daran mangelt es. Allein die höheren Leistungen bei der Rente schlagen mit zusätzlichen Ausgaben von zehn Milliarden Euro jährlich zu Buche. Dass sich Union und SPD auf den Standpunkt stellen, diese enormen Lasten könnten aus den Rücklagen der Rentenkasse bezahlt werden, ist ein Armutszeugnis. Die Beitragszahler, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber, können das nicht allein schultern. Wer höhere Sozialleistungen einführen will, muss sie aus dem Steueraufkommen bezahlen. Schließlich sollten auch Selbstständige, Abgeordnete und Beamte gesellschaftliche Aufgaben finanzieren. Dass die Koalition den bequemen Weg über die Sozialkassen wählt, hängt damit zusammen, dass die Jüngeren nicht aufmucken.

Der Staat tut zu wenig für die Zukunft

Solche Konflikte können nicht mehr einseitig gelöst werden. Den 20,6 Millionen Rentnern stehen heute 27,7 Millionen versicherungspflichtige Beschäftigte gegenüber. In einigen Jahren wird sich das Verhältnis umkehren. Dann wird es ungemütlich, denn die Jüngeren werden es nicht akzeptieren, die Zeche bezahlen zu müssen. Mit Klientelpolitik kommt die Gesellschaft nicht weiter. Bisher achtete der Gesetzgeber auf ein ausgeglichenes Verhältnis. Daran wird ohne Not gerüttelt. Dass ältere Mütter bei den Erziehungszeiten in der Rente benachteiligt werden, stimmt. Genauso richtig ist, dass Jüngeren bei der Rente keine Studienzeiten mehr anerkannt werden. Zudem sinkt das Rentenniveau.

Von einer Politik, die auf den Generationenausgleich achtet, hängt viel ab. In Deutschland wird mit großer Leidenschaft über Sozialleistungen diskutiert, aber kaum darüber, was der Staat für die Zukunft tut. Für die Verkehrsinfrastruktur will der Bund jährlich nur 1,25 Milliarden Euro mehr ausgegeben. Für Bildung und Forschung sind zusätzlich neun Milliarden Euro in der gesamten Wahlperiode vorgesehen. Das ist im Vergleich zu den sozialen Wohltaten ein Klacks. Die Dimensionen stimmen nicht. Die Koalition sollte Antworten liefern, wie das Land vorangebracht wird. Davon hätten alle etwas.