Im Bundestag sagt Angela Merkel etwas verklausuliert, aber doch eindeutig: Sie ist nicht gewillt, Politik so wie Horst Seehofer und Sigmar Gabriel zu betreiben – kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Im rhetorischen Wettstreit gehören Sigmar Gabriel und Horst Seehofer zu jenen Politikern, die gerne mit dem Säbel rasseln. Angela Merkel liegt diese Art der Waffenführung nicht, sie greift lieber zum Florett. Auf diese Weise nahm sich die Kanzlerin in ihrer Rede zum Bundeshaushalt auch die Chefs von SPD und CSU vor.

 

Merkel mahnte, „wir“ – also Politiker ganz generell – sollten sich in ihrer Sprache mäßigen. „Wir“ sollten nicht vermeintlich einfachen Lösungen das Wort reden und nicht untereinander den kleinen Vorteil suchen, um sich mit einem blauen Auge über einen Wahlsonntag zu retten. Damit meinte sie natürlich nicht sich selbst. Jeder im Bundestag verstand, an wen die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende dabei auch dachte: an Gabriel und Seehofer.

Jeder ist sauer auf den anderen

Obwohl sie mit Merkel seit drei Jahren in einer großen Koalition regieren, reden die beiden dieser Tage, als hätten sie damit eigentlich nichts zu tun – wüssten aber ganz genau, wie es viel besser ginge. Dass Merkel sich Gabriel und Seehofer auf diese feine, aber doch eindeutige Weise öffentlich vorknöpfte, zeigt an, wie schlecht die Stimmung im schwarz-roten Führungstrio inzwischen ist. Jeder der drei ist sauer auf die jeweils anderen beiden.

Sozialdemokratische Sprunghaftigkeit kann Merkel dabei naturgemäß leichter ertragen als die ständigen Querschüsse aus der Schwesterpartei CSU. Mit seinen Alles-läuft-schlecht-Reden und seinen Poltereien gegen Merkel hat Seehofer der CDU bereits die Wahlkämpfe in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und jetzt in Mecklenburg-Vorpommern erschwert. Er hilft im Moment mit, die AfD stark und die CDU schwach zu machen.

Scheindebatten und Scheinlösungen

Worauf aber will der CSU-Chef hinaus? Will er Merkels Eingeständnis, dass sie vor einem Jahr mit der Grenzöffnung für die Flüchtlinge einen Fehler gemacht hat? Diesen Kotau wird er nicht bekommen, das hat die Kanzlerin mit ihrem Auftritt im Bundestag noch einmal ganz klar gemacht. Will er einen großen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik? Den hat es längst gegeben. Vom Motto „Refugees welcome“ ist in Merkels praktischer Politik fast nichts mehr übrig; auf ihrer Prioritätenliste stehen die Worte „Abschottung“ und „Abschiebung“ längst ganz weit oben.

Wenn Seehofer und andere CSU-Politiker gefragt werden, was sie konkret verlangen, dann fallen Stichworte wie „Burka-Verbot“ und „Obergrenze“. Es sind genau die Scheindebatten und Scheinlösungen, von denen Merkel zu Recht annimmt, dass sie in der Sache nicht helfen, aber Populismus von rechts befeuern.