Die Eltern sollten sich gut überlegen, welche Schulart wirklich die beste für ihr Kind ist. Ein Kommentar von StZ-Redakteurin Inge Jacobs.

Stuttgart - Es scheint ein großes Rad zu sein, das die Landesregierung dreht – auf den ersten Blick. Erstmals dürfen die Eltern selbst entscheiden, in welche weiterführende Schulart sie ihr Kind schicken. Verschwunden ist somit das Gefühl, bei dieser Entscheidung gegängelt zu werden. Dafür übernehmen jetzt die Eltern die große Verantwortung, die Weichen für die Schullaufbahn ihres Kindes richtig zu stellen. Wie man hört, wollen sie das gerne tun.

 

Doch der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung darf nicht den Blick darauf verstellen, dass die bisherigen Leistungsanforderungen der Schularten – Gymnasium, Realschule, Haupt- oder Werkrealschule – auch künftig gelten. Spätestens, wenn zum Ende von Klasse fünf die Versetzung ansteht, schlägt die Stunde der Wahrheit. Die Selektion nach Schulleistung ist somit nicht aufgehoben – nur um ein Jahr verschoben. Eltern sollten sich also gut überlegen, was sie ihrem Kind zumuten können – und wollen. Alleingelassen werden sie dabei nicht. Denn nach wie vor erhalten sie eine Grundschulempfehlung und Beratung von Lehrern, die das Kind einschätzen können. Das ist gut so.

„Kultusministerin Marion Schick“

Weniger gut ist, dass man es im Kultusministerium immer noch nicht geschafft hat, relevante Informationen zum Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung so auf die Homepage zu stellen, dass sie leicht zu finden sind. Wer dieses Stichwort ins Suchfenster eingibt, erhält als ersten Link eine Studie vom 16. Februar 2011 samt Statement von „Kultusministerin Marion Schick“ – Titel: „Mehr Bildungsgerechtigkeit durch verbindliche Grundschulempfehlung“. Selten so gelacht. Im Anschluss werden Termine für das vergangene Jahr genannt. Es bedarf echten Forschergeistes beim Navigieren, um die neuen Infos auf www.kultusportal-bw.de zu ertüfteln (via Schulsystem/Grundschule/Übergang zu weiterführenden Schulen). Das ist, mit Verlaub, höchst unprofessionell. Und es ist bei einem so bedeutsamen Vorhaben beim besten Willen nicht nachvollziehbar.

Privatschulen werden weiter zulegen

Denn die neue Regelung zieht große Konsequenzen nach sich – nicht zuletzt auch für die Schulträger. Die Landeshauptstadt rechnet derzeit mit spitzem Stift aus, ob die Räume für den Zuwachs an Schülern, der bald über die Gymnasien, vor allem aber die Realschulen, hereinbrechen könnte, ausreichen werden. Und die Eltern können ihre Kinder schon mal vorsorglich darauf einstimmen, dass sie zwar in der angestrebten Schulart unterkommen, aber es vielleicht nichts wird mit der Wunschschule. Man kann getrost davon ausgehen, dass auch die Privatschulen weiter an Zustrom gewinnen werden – vor allem, wenn sie Realschule und Gymnasium unter einem Dach anbieten. Denn das vereinfacht später eine Korrektur der Schullaufbahn.

Mit der Beantwortung der Frage, ob in Stuttgart zum neuen Schuljahr eines, zwei, drei oder gar kein Gymnasium G9 anbieten können, lässt sich die Landesregierung auch Zeit. Dabei würde dies nicht nur viele Eltern interessieren, sondern auch die Stadt als Schulträgerin. Schließlich muss sie ihren Antrag bis zum 1. März beim Land einreichen. Positiv ausgedrückt: über Langeweile in der Bildungslandschaft kann sich derzeit niemand beschweren.