Die Größe des Rechtsstaates zeigt sich darin, wie er seinen Opfern begegnet. Da bleibt auch trotz dem Beschluss der Länderjustizminister Handlungsbedarf. Denn die Politik zeigt sich als sehr unwillig, sagt StZ-Autorin Hilke Lorenz.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Fehlurteile sind das Schlimmste, das einem Rechtsstaat unterlaufen kann. Jemandem, der unschuldig ist, die Freiheit zu nehmen, ist ein unerhörter Eingriff in dessen Leben. Aber es geschieht. Wie oft genau, wissen wir nicht. Es gibt offenbar keine ausgeprägte Neigung, darüber Buch zu führen. Doch der Rechtsstaat behält seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen nur dann, wenn er den Mut und die Größe hat, seinen Opfern in die Augen zu schauen, und alles tut, zumindest einen Ausgleich für seine Aussetzer zu finden, wenn er schon die Uhren nicht zurückstellen kann. Dazu gehören neben einem Schmerzensgeld, das keinem Almosen gleicht, auch Strukturen, die Justizopfer nicht als querulantische Bittsteller in einem System abstempelt, in das sie längst das Vertrauen verloren haben.

 

Aussitzvermögen der Politik

Im Moment deutet nichts darauf hin, dass die Gesamtheit der Länderjustizminister bereit ist, diese selbstverständliche und professionelle Haltung einzunehmen. Auch wenn die lachhaft geringe Zahl von 25 Euro Entschädigung pro Hafttag nach dem Beschluss der jüngsten Justizministerkonferenz demnächst vielleicht Geschichte sein wird, ist es beschämend und unerträglich, mit welcher Gleichgültigkeit und mit welchem Aussitzvermögen, ja fast schon Verachtung für die Opfer sich die Politik des Themas annimmt.