Bei der Hannovermesse präsentiert sich die deutsche Industrie schlagkräftig wie nie. Doch hinter der Fassade sieht StZ-Kommentator Ulrich Schreyer dunkle Wolken.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Hannover - Bei Ausstellern und Besuchern der Industriemesse in Hannover herrschen die schönsten Frühlingsgefühle. Draußen sprießt frisches Grün, in den Hallen freuen sich die Firmenvertreter über das rege Interesse ihrer Kunden – und gerne nimmt man auch die frohen Botschaften der Wirtschaftsforscher zur Kenntnis: Die weltweit wichtigste Industrieschau ist in diesem Jahr keine Messe zwischen Hoffen und Bangen. Im Gegenteil, sie signalisiert die Stabilisierung eines Aufschwungs auf breiter Front.

 

Doch trotz der allseits verbreiteten Zuversicht lässt der Bundesverband der Industrie (BDI) die Alarmglocke schrillen. Deutschland tue zu wenig für Innovationen, Deutschland drohe international zurückzufallen, hat BDI-Präsident Ulrich Grillo just zum Beginn der Neuheitenschau in Hannover verkündet. Dafür, wie innovativ ein Land ist, gibt es die verschiedensten Kriterien. Bei jedem dieser Indizes liegt Deutschland immer noch in der Spitzengruppe – in Europa, aber auch weltweit. Ob Deutschland aktuell auf Platz drei, vier oder sechs liegt, das hängt ganz von der Betrachtungsweise ab und ist gar nicht so entscheidend. Entscheidend ist, ob es künftig gelingt, wenigstens einen dieser Spitzenplätze zu verteidigen.

Werden die Tüftler genug gefördert?

Bereits seit den Zeiten des einstigen Wirtschaftsförderers Ferdinand von Steinbeis wird nicht nur im Südwesten immer wieder die Erkenntnis gepredigt, der wichtigste Schatz eines Landes ohne Öl oder Kupfer sei das Gehirnschmalz seiner Bewohner – jenes Forschen, Tüfteln und Experimentieren, das zu neuen Produkten führt. Doch gerade um den wichtigsten Schatz zu heben, tue Deutschland zu wenig, meint der BDI. Natürlich wird über Cluster diskutiert, also über die regionale Zusammenarbeit ähnlicher Industrien, natürlich gibt es Programme etwa zur Förderung des Leichtbaus mittels Karbonfasern, und natürlich wird an der Elektromobilität getüftelt. Die großen Konzerne in Deutschland füllen ihre Archive mit Patentanmeldungen – aber auch kleine Unternehmen sind, wie in Hannover zu sehen ist, durchaus mit von der Partie.

Bei der Politik aber herrscht – da muss man den Industrielobbyisten durchaus recht geben – Fehlanzeige. Im Berliner Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD festgelegt, dass drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden sollen. Dieses Ziel ist bereits nahezu erreicht – aber andere Länder, etwa in Skandinavien, sind heute schon weiter. Und auch die asiatischen Länder schlafen nicht. Wichtige Wirtschaftsverbände fordern denn auch, dass Unternehmen Ausgaben für Innovationen von der Steuer absetzen dürfen. Gerade bei der steuerlichen Förderung haben viele Länder Deutschland abgehängt. Doch Investitionen, mit denen Neuheiten auf den Markt gebracht werden, sind Ausgaben, die später Früchte tragen. Und dies nützt nicht nur der Industrie.

Jetzt kommt Industrie 4.0: eine Herausforderung

Um Geld allein aber kann es bei der Förderung von Innovationen nicht gehen. Hohes Lob erntet weltweit die als herausragend geltende deutsche Infrastruktur im Bereich der Forschungseinrichtungen. Und Technologietransfer aus den Labors hin zu kleineren Unternehmen wird ebenfalls praktiziert. Dennoch – diese Kritik ist auch in Hannover zu hören – gibt es noch immer Professoren und Forschungseinrichtungen, die Hilfe heischende Mittelständler zur Verzweiflung treiben.

Doch fast jeder auf der Wirtschaftsmesse spricht auch von Industrie 4.0, der Vernetzung von Maschinen, die miteinander kommunizieren. Dies wird nicht von heute auf morgen die Fabriken umkrempeln – aber viele machen schon die ersten Schritte. Und sie haben ein gemeinsames Ziel. Dabei geht es um mehr als nur um Geld: Industrie 4.0 könnte zum Symbol des nötigen Aufbruchs bei Innovationen werden.