Bis zu fünf Millionen Anspruchsberechtigte verzichten darauf, Hartz IV zu beantragen. Die Hilfe benötigt dringend ein besseres Image, meint der StZ-Politikredakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Glücklich ist, wer nie darüber nachdenken muss, ob er Hartz IV beanspruchen soll. Es gibt kaum eine Praxis in unserem Sozialsystem, die die Selbstachtung derart gefährdet. Da helfen auch die Bemühungen der Bundesagentur für Arbeit recht wenig, die einiges gegen Vorurteile und für einen besseren Ruf von Hartz IV tut: Wer Sozialhilfe benötigt, fühlt sich von der Gesellschaft stigmatisiert und will lieber unerkannt bleiben. Dies beginnt ja schon auf dem Schulhof, wo Kinder von Bedürftigen Spott ertragen müssen.

 

So gesehen ist es wenig erstaunlich, wenn in einer neuen Studie für das Bundesarbeitsministerium drei bis fünf Millionen Anspruchsberechtigte ermittelt werden, die auf staatliche Stütze verzichten. Über die Gründe der versteckten Armut lässt sich die Studie nicht aus. So gilt es darüber nachzudenken, wie die Jobcenter mehr Vertrauen gewinnen und kundenfreundlicher werden können – mit verständlichen Formularen etwa. Nötig wäre auch ein Bewusstseinswandel: Hartz IV ist nicht per se menschenunwürdig und auch keine Sackgasse, sondern eine möglichst nur vorübergehende Hilfsleistung der Gemeinschaft für schwierige Lebenslagen. Zu befürchten ist im Wahlkampf jedoch ein aufgeheizter Disput über die Höhe der Regelsätze, der die Akzeptanz von Hartz IV bei den potenziell Betroffenen eher noch verringert.