Auf der Internationalen Automobilausstellung feiert sich die Branche und versprüht Optimismus. Die Herausforderungen sind aber groß, meint der StZ-Redakteur Harry Pretzlaff. Der Heimatmarkt schwächelt, und die Konkurrenz aus China holt auf.

Frankfurt - Die deutschen Autobauer rätseln. Die Bundesbürger haben zwar Lust, Geld auch für größere Anschaffungen auszugeben, wie Umfragen zeigen, doch sie kaufen einfach keine Autos. Erneut zeichnet sich ein schlechtes Jahr bei den Neuzulassungen ab. Das immer höhere Durchschnittsalter der Wagen signalisiert zwar einen wachsenden Ersatzbedarf, doch viele Autofahrer schieben den Kauf eines neuen Fahrzeugs auf – möglicherweise aus Furcht vor einem erneuten heftigen Aufflammen der Eurokrise.

 

Wo Gefahr ist, da wächst das Rettende auch, schrieb einst der Lyriker Friedrich Hölderlin, und so richten sich die Blicke der PS-Branche auf die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt, die in dieser Woche wieder ihre Tore öffnet. Es gibt dort so viele Weltpremieren und so viele Aussteller wie bei keiner anderen Neuheitenschau der Welt, jubelt der Branchenverband VDA. Der Kartenvorverkauf laufe gut, berichtet der Verband und wertet dies als Vorboten für eine Belebung der Nachfrage. Geht es jetzt aufwärts?

Die Rabattschlacht wird noch heftiger

Die Berufsoptimisten mögen noch so sehr für eine fröhliche PS-Party trommeln, und Frankfurt mag zur IAA der Nabel der Autowelt sein – doch der Heimatmarkt kann die Rettung nicht bringen. Der deutsche Markt ist gesättigt, und Gleiches gilt für Westeuropa. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurde in Europa das niedrigste Absatzniveau seit 1993 verzeichnet. Die demografische Entwicklung lässt befürchten, dass der Wettbewerb künftig härter wird.

Die Rabattschlacht dürfte noch hitziger werden, wenn chinesische Autobauer nach dem Muster der Japaner und Koreaner – und fit gemacht von ihren Joint-Venture- Partnern aus den Westen – den großen Sprung nach Europa schaffen werden. Dies ist nur eine Frage der Zeit, darüber dürfen die ersten tapsigen Gehversuche der Chinesen in Europa nicht hinwegtäuschen. Auch Toyota hat sich einst beim Start in Amerika zunächst einmal blamiert. Doch Toyota lernte aus den Fehlern, nahm einen neuen Anlauf und ist schließlich zum größten Autohersteller der Welt aufgestiegen.

Gewaltige Investitionen der Autobauer

Wie Toyota sind heute auch die deutschen Autokonzerne weltweit fest verankert. Nur mit solch einer globalen Präsenz kann die Zukunft gesichert werden. Trotz der Misere in Europa darf man nicht übersehen: der Weltmarkt wächst. Die Musik spielt jedoch vor allem in China. So hat VW etwa in der ersten Jahreshälfte jedes dritte seiner Autos im roten Riesenreich verkauft. Wer nur ein regionaler Champion ist, wie Peugeot oder Opel, dem fällt es auch immer schwerer, im technologischen Wettlauf mitzuhalten, der wohl selten so atemraubend war wie heute.

Die deutschen Autobauer stemmen bei der Entwicklung alternativer Antriebe gewaltige Investitionen, und die Ergebnisse können sich sehen lassen. Unternehmerischer Mut ist hier gefragt – aber zugleich auch Augenmaß. Beides unter einen Hut zu bringen ist nicht leicht. Die Anbieter wissen zwar, was die neue Technik kostet, aber sie wissen nicht, was die Kunden dafür bezahlen wollen und wie sich der Absatz entwickeln wird. Die deutschen Anbieter bringen jetzt eine Vielzahl neuer Modelle mit alternativem Antrieb auf den Markt, obwohl sie nicht wissen, wie stark das Elektroauto, der Hybridantrieb oder die Brennstoffzelle auf mittlere und längere Sicht nachgefragt werden. Sie haben aber auch keine andere Wahl. Denn nur so können sie die immer schärferen europäischen Emissionsvorschriften erreichen. Die deutsche PS-Branche stöhnt zwar heftig darunter, doch diese Brüsseler Innovationspeitsche treibt Forscher und Entwickler zu Spitzenleistungen an, mit denen sie sich auch Zukunftschancen in aufstrebenden Märkten sichern. China wird dem europäischen Beispiel folgen müssen, wenn der Klimaschutz auf dem Weg zur Massenmotorisierung nicht unter die Räder kommen soll.