Behinderte sollen in allen Bereichen der Gesellschaft teilhaben. Das ist längst noch nicht überall Realität. Das Ziel der umgekehrten Inklusion im Stuttgarter Bürgerhaushalt zu verankern ist eine gute Möglichkeit, für ein berechtigtes Anliegen zu trommeln, findet Redakteurin Inge Jacobs.

Stuttgart - Teilhabe ist ein großes Wort. Auch vom selbstbestimmten Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten ist die Rede in dem Gesetz, das auf der UN-Behindertenrechtskonvention gründet. An Stuttgarter Schulen ist man diesem Ziel nähergekommen. Dass 890 der 2321 Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch an Regelschulen unterrichtet werden, gemeinsam mit Kindern ohne Einschränkungen, belegt dies.

 

Doch was ist mit Kindern, die wegen ihres hohen Bedarfs an pflegerischem Knowhow und räumlichen Voraussetzungen nicht so ohne weiteres in einer Regelklasse untergebracht werden können? Kindern, die weder laufen noch sprechen können, die gewickelt und katheterisiert werden müssen. Haben sie etwa keinen Anspruch auf Teilhabe?

Nur wenige Eltern wollen ihr gesundes Kind an einer Sonderschule anmelden

Den haben sie natürlich genauso. Er ist in der Praxis aber schwieriger umzusetzen. Das hat mehrere Gründe: Zum einen fehlen klare Rahmenbedingungen. Auch dies erklärt, weshalb bisher Eltern von gesunden Kindern wenig Neigung zeigen, diese als Inklusionskinder an Sonderschulen anzumelden. Zumal als Voraussetzung die Sonderschule ohnehin erst eine Konzeption dafür vorlegen müsste. Im Schulamt fragt man sich derzeit, ob es in dieser Richtung überhaupt einen Bedarf gibt. Das Beispiel der beiden Sehbehinderten-Schulen in Stuttgart zeigt aber, dass es durchaus attraktiv sein kann, als gesundes Kind mit Sehbehinderten gemeinsam das gleiche Ziel anzusteuern, nämlich einen Realschulabschluss – top betreut in kleinen Gruppen statt in vollgestopften Regelklassen mit 30 Schülern. Sicher kann das nicht in größerem Maß Schule machen.

Trotzdem ist der Vorstoß der Margarete-Steiff-Schule zur umgekehrten Inklusion berechtigt. Der Antrag im Bürgerhaushalt mag bei der Umsetzung helfen. Doch gesellschaftspolitisch ist der Weg ist noch weit. Das Beispiel der Torwiesenschule mit ihren drei Schularten unter einem Dach und dem integrativen Konzept zeigt, dass Teilhabe auch anders gelöst werden kann.

inge.jacobs@stzn.de