Der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hätte sich nicht über die Empfehlung seiner Experten hinwegsetzen sollen, findet Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist nicht das letzte Wort in dem seit fast zwei Jahren andauernden Ringen um gerade einmal 0,6 Prozent Marktanteil im Lebensmitteleinzelhandel. Die Richter haben Sigmar Gabriels Ministererlaubnis für die Übernahme der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann durch die Edeka-Gruppe sprichwörtlich in der Luft zerrissen. Für den SPD-Chef und Vizekanzler ist die Entscheidung der zweite Tiefschlag in kurzer Zeit. Schon bei der Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka hatte der Minister publikumswirksam um deutsche oder europäische Interessenten geworben, obwohl sich längst abzeichnete, dass der chinesische Konzern Midea zugreifen wird.

 

Im Unterschied zu Kuka gibt es bei Tengelmann aber Wettbewerber, die öffentlich Interesse an der defizitären Supermarktkette bekundet haben: Nicht nur Edekas Hauptkonkurrent Rewe, auch kleinere Handelsunternehmen wie Migros (Tegut), Kaufland, Coop oder Norma stehen bereit, um Teile des rund 450 Läden umfassenden Tengelmann-Filialnetzes zu übernehmen. Eine solche Zerschlagung dürfte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub im Sinn gehabt haben, als er dieser Tage ankündigte: Ohne die Fusion mit Edeka gebe es „verschiedene Möglichkeiten, aber keine sympathische“. Dass die Existenz von 16 000 Beschäftigten auf dem Spiel stünde, wie es Haub selbst und auch die Gewerkschaft betonen, ist jedoch übertrieben.

Arbeitsplätze sind in jedem Fall bedroht

Auch eine per Ministererlaubnis durchgedrückte Übernahme durch Edeka wäre nicht so sympathisch, wie der Hamburger Branchenprimus die Öffentlichkeit glauben machen möchte. Selbstverständlich bedroht auch dieser Deal Arbeitsplätze. Wenn nicht die der 16 000 Tengelmann-Beschäftigten, dann eben die von mehreren Hundert oder Tausend aktuellen Edeka-Mitarbeitern. Auch ein Bundeswirtschaftsminister kann die Gesetze des Marktes nicht außer Kraft setzen.

Gabriel kann nicht auf der einen Seite – das Votum der obersten Wettbewerbsbehörde und den Rat der Monopolkommission ignorierend – den überlegenen Marktführer stärken und im Gegenzug per Dekret anordnen, dass der mangelnde Wettbewerb zu keinem Stellenabbau führen darf. Dass er es dennoch versucht, erweckt den Eindruck, er wolle sich nur als Retter der Tengelmann-Beschäftigten in Szene setzen, um sein soziales Profil zu schärfen.