Der oberste Glaubenshüter Roms schlägt verbal über die Stränge. Das kennt man von ihm nicht anders, meint StZ-Redakteur Michael Trauthig.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Gerhard Ludwig Müller ist kein unbeschriebenes Blatt. Der katholische Kirchenmann gilt in Deutschland als konservativer, autoritärer Hardliner. Denn als Regensburger Bischof hat er Reformer suspendiert, Laiengremien entmachtet und Kirchenkritiker abgekanzelt. Dabei gingen schon mal verbal die Pferde mit ihm durch. Derartiges mag man bei einem Diözesanchef in der Provinz noch als Folklore abtun. Es wird aber zum Problem, wenn der Polterer einen herausgehobenen Posten in der Weltkirche hat. Heute steht Müller als oberster Glaubenshüter im Vatikan international unter Beobachtung und sollte seine Worte besser wägen. Doch im Blick auf sein Kommunikationsverhalten scheint der Bischof, der auch ein brillanter Theologe ist, immer noch der Alte.

 

Er spricht von einer Pogromstimmung gegen die Kirche und überzieht damit maßlos. Das ist schlimm. Indiskutabel ist ebenfalls, dass er damit die auch in Deutschland zuweilen auftretende Kirchenfeindschaft in die Nähe der ungleich brutaleren Judenverfolgung rückt. Zu dieser Entgleisung erübrigt sich eigentlich jedes Wort. Sie richtet sich selbst, und schließlich kennt man den Urheber ja. Doch die Auslassung legt nahe, dass der Bischof die Schuld für die Kirchenkrise vor allem bei anderen sieht. Wer aber so denkt, ist zur Umkehr nicht fähig. Das wäre wirklich fatal.