Während die „Brexiteers“ ihre Versprechen brechen, bewahrheiten sich die Prognosen der Wirtschaftsforscher – leider. Ein Kommentar von StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Während die Protagonisten der Brexit-Kampagne dabei sind, ihre Versprechen zu widerrufen, halten die Warner vor einem Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union Wort. Vor dem unseligen Referendum hatten Unternehmen, Wirtschaftsforschungsinstitute und Finanzorganisationen nahezu einmütig vor den negativen wirtschaftlichen Folgen eines Brexit gewarnt – vor allem für Großbritannien, aber auch für die EU. Von den Turbulenzen an den Finanzmärkten einmal abgesehen hat der britische Finanzminister bereits Steuererhöhungen und die Kürzung staatlicher Leistungen angekündigt, die Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit des noch Vereinigten Königreichs zurückgestuft. Absehbar werden die Investitionen auf der Insel im zweistelligen Prozentbereich zurückgehen und gleichzeitig wird die Inflation deutlich steigen, weitere, noch nicht absehbare Konsequenzen werden folgen.

 

Negative Auswirkungen auf Baden-Württemberg

Dass wirtschaftliche Schwierigkeiten einer so großen Volkswirtschaft wie der britischen nicht einfach an Deutschland und zumal an Baden-Württemberg vorbeigehen werden, liegt auf der Hand. Unternehmen aus dem Südwesten exportierten vergangenes Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von gut 12 Milliarden Euro nach Großbritannien – das bedeutet Platz sechs auf der Rangliste der wichtigsten Exportländer. Ein schwächeres Pfund erschwert die Ausfuhren auf die Insel, die Unsicherheit über das Prozedere des Briten-Ausstiegs dämpft die Investitionen und die Konsumfreude. So rechnen die Wirtschaftsforschungsinstitute mit einer Abschwächung des Wachstums, noch nicht nennenswert in diesem Jahr, sehr deutlich spürbar aber 2017.

Die intensive wirtschaftliche Verflechtung, die sich nicht nur im Export, sondern auch in eng vernetzten Produktionsabläufen etwa bei den Autoherstellern zeigt, belegt jedoch die Notwendigkeit, nach dem Brexit-Votum nun nicht alle Verbindungen auf die Insel zu kappen. So sehr die Politik versucht sein mag, dem Rest Europas zu demonstrieren, wie ungünstig sich der Ausstieg für die Briten auswirkt, gilt es doch, pragmatisch und mit Augenmaß vorzugehen. Der Brexit produziert so oder so wirtschaftlich praktisch nur Verlierer. Je radikaler die Abtrennung erfolgt, umso größer der Schaden – auf beiden Seiten des Kanals.