Schmiergeld zu bezahlen, wenn es etwa um die Vergabe von Rechten oder von lukrativen Veranstaltungen geht, ist im Sport weit verbreitet. Jeder weiß es, keiner unternimmt ernsthaft etwas dagegen, lautet das Fazit des StZ-Sportredakteurs Tobias Schall.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Es ist noch nicht lange her, da wollte der Deutsche Basketball-Bund (DBB) die Europameisterschaft 2015 ausrichten. Doch kurz vor der Vergabe hat der DBB seine Bewerbung aus Protest gegen das unsägliche Geschacher um das Turnier zurückgezogen. Es ging nicht mehr um Sport, sondern um ein Wettbieten der Bewerber. Eine Versteigerung, an der sich der DBB nicht beteiligen wollte und die am Ende die Ukraine für sich entschied. Der DBB-Generalsekretär Wolfgang Brenscheidt stellte fest: „Da kannst du es auch bei Ebay reinstellen.“

 

Der Sport als Auktionshaus. 3, 2, 1 – mein Großereignis. 3, 2, 1 – meine Rechte. Das ist anscheinend die Realität. Sicher ist nicht jeder Funktionär korrupt, nicht jeder Verband macht unsaubere Geschäfte – aber es geht auch nicht nur um Einzelfälle. Der Fußball-Weltverband hat dieser Tage seinen Skandal gehabt, das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte seine Affären, ebenso der Eishockey-Weltverband, der Handball-Weltverband, der Leichtathletik-Weltverband, der Volleyball-Weltverband. Und der Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone hat 35 Millionen Euro Schmiergeld an den kürzlich verurteilten Banker Gerhard Gribkowsky gezahlt. Das alles dürfte indes nur die Spitze des Eisberges sein. Korruptionsexperten gehen davon aus, dass branchenübergreifend 80 bis 90 Prozent aller Fälle von Korruption erst gar nicht entdeckt werden.

Selbst ernannte Gralshüter des Fair Play

Schmiergelder sind kein exklusives Problem des Sports, aber die Strukturen der selbst ernannten Gralshüter des Fairplay, als die sich etwa das IOC oder die Fifa gerieren, begünstigen die Mentalität. Die ehrenwerte Sportfamilie kontrolliert sich selber, Deals werden in Hinterzimmern von einigen wenigen geschlossen. Fast jede Vergabe eines Großereignisses wurde und wird von Korruptionsvorwürfen begleitet. Die Verbände befinden sich in einem parallelen Universum ohne Transparenz, in dem nur auf öffentlichen Druck halbherzig geeignete Gegenmaßnahmen diskutiert werden. Es fehlt offensichtlich am Willen.

Allein der Hartnäckigkeit einiger Journalisten und des Schweizer Bundesgerichts in Zug ist es zu verdanken, dass die Welt nun einen weiteren detaillierten Einblick in das Gebaren der Fifa erhalten hat. Es war bereits bekannt, dass der frühere, von Horst Dassler gegründete Fifa-nahe Rechtevermarkter ISL zwischen 1989 und 1999 140 Millionen Franken an Bestechungsgeldern an Sportfunktionäre gezahlt hat – seit dieser Woche weiß man auch, wer davon unter anderen profitiert hat. Der langjährige Fifa-Präsident João Havelange mit 1,5 Millionen Franken, der Brasilianer Ricardo Teixeira mit 13,47 Millionen Franken. Für sie und andere ist die Fifa ein prall gefüllter EC-Automat. Und das alles mit Wissen der Verbandsspitze, wie die Richter feststellen.

Ein bisschen Empörung – bis zum nächsten Skandal

Der Sport ist ein gewinnbringendes Geschäft. Verbände wie das IOC oder die Fifa nennen die begehrtesten Produkte der Sportwelt ihr Eigen. Sie verfügen über die Rechte an Großveranstaltungen, die ein attraktives Gut für Sponsoren oder Sender sind. Es geht um Milliarden. Der TV-Gigant NBC hat sich erst im vergangenen Jahr die US-Rechte an den Olympischen Spielen bis 2020 gesichert – für 4,38 Milliarden Dollar.

Genau das ist das Problem. Sponsoren oder TV-Stationen könnten Forderungen stellen, denn von ihrem Geld leben die Verbände. Aber sie tun es nicht, weil die Bühne bei Olympia oder Fußball-WM zu wertvoll ist, als dass man sich der Gefahr aussetzen will, von der Konkurrenz ausgestochen zu werden. Auch die Politik formuliert kaum mehr als Sprechblasen und zeigt keine Berührungsängste. Statt Druck aufzubauen, werden Funktionäre wie Fifa-Präsident Blatter empfangen wie Staatschefs.

Was passiert also? Ein bisschen Empörung hier und da, mehr nicht. Die Familie hält zusammen. Das ist die deprimierende Realität. Bis zum nächsten Skandal.