Der Rücktritt des FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler scheint ausgemachte Sache zu sein. Doch dies würde die Probleme der Partei bei weitem nicht lösen, meint Thomas Maron.

Berlin - Die FDP will es sich einfach machen. Die Partei ist fest entschlossen, ihren Vorsitzenden Philipp Rösler nach nicht einmal zwei Jahren Amtszeit loszuwerden, da kann er auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart reden, was er will. So wie ein Fußballverein zuallererst den Trainer austauscht, wenn der Abstieg droht. Gern wird dann gesagt, der Trainer erreiche die Mannschaft nicht mehr. Was aber, wenn die Mannschaft selbst das Problem ist oder – noch schlimmer – wenn das gesamte Management keine Identität stiften kann, die den Verein für Fans attraktiv macht? Dann hilft es nicht viel, den Trainer zu entlassen. So ist das auch bei der FDP.

 

Rösler wird sich, wenn nicht noch ein Wunder geschieht, nicht halten. Man wird ihm nicht nachtrauern müssen. Er hat Fehler gemacht, die einen Rückzug rechtfertigen. Es fehlt auch nicht an Belegen, dass er mit seinen Vorgaben die Mannschaft nicht erreicht. Das Hauptproblem der FDP ist jedoch, dass sie die Wähler nicht mehr erreicht. Und das liegt nicht allein an Rösler.

Die Liberalen werden – das zeigen die Umfragen – von vielen, die freiheitlich denken, nicht mehr als liberal wahrgenommen. Jene, denen Freiheit ein hohes Gut ist, haben keine Lust, sich einer Partei zuzuwenden, die sich als deren Anwalt ausgibt. Die Parteiführung des vergangenen Jahrzehnts hat mit ihrer thematischen Engstirnigkeit und ihrer Neigung, persönliche Freiheit mit Egoismus zu verwechseln, die Identität der FDP preisgegeben. Das bleibt das Hauptproblem der FDP, denn Rösler war zu schwach, dem etwas entgegenzusetzen.

Westerwelles Stimmenfang

Man mag einwenden, dass Röslers Vorgänger Guido Westerwelle mit diesem Kurs in der Opposition die größten Wahlerfolge erzielte. Das stimmt, aber die FDP bezahlt in der Regierung noch immer den Preis für diese Art des Stimmenfangs. Denn Westerwelle machte politische Schnäppchenangebote, die er nur mit absoluter Mehrheit hätte liefern können. Zurück blieben zwei Gruppen sich abwendender Wähler: enttäuschte Herzensliberale, denen diese Schmalspur-FDP fremd wurde, und enttäuschte Kunden, denen die versprochene Lieferung – etwa in Form radikaler Steuersenkungen – versagt blieb.

So einfach die Lage der FDP beschrieben werden kann, so schwer ist es, der Partei einen Weg aus der Krise zu weisen. Zumal ein Großteil der Führung noch immer nicht das eigentliche Dilemma wahr haben will. Es fehlen Leitbilder und Persönlichkeiten, die diese glaubwürdig repräsentieren. Welches Staatsverständnis hat diese Partei? Will sie einen Nachwächterstaat, der sich aus fast allem raushält und so die Menschen dem Schicksal und biografischen Zufälligkeiten überlässt?

Kein gemeinsames Verständnis von Freiheit

Oder will sie einen Staat, der eingreift, um jedem die Chance zu eröffnen, in größtmöglicher Freiheit das beste aus seinen Fähigkeiten zu entwickeln? Wie groß ist die Bereitschaft, Machtkonzentrationen jenseits der Parlamente und Ministerien als potenzielle Bedrohung persönlicher Freiheit wahr zu nehmen? Im Umgang mit den Banken, die zu groß waren, um zu scheitern, hätte die FDP ausreichend Gelegenheit gehabt, liberale Größe zu zeigen. Sie hat es nicht getan weil es in der Partei kein gemeinsam getragenes Verständnis von Freiheit gibt.

NRW-Chef Christian Lindner hat als Generalsekretär versucht, der FDP wie ein Arzt mit einem neuen Grundsatzprogramm ein Rezept mit ein paar klugen Ideen zu verschreiben. Dumm nur, dass so wenige zu ihm in die Praxis kamen.

Nach der Niedersachsenwahl wird es wohl Rainer Brüderle, der im Juni 68 Jahre alt wird, richten müssen. Sein Ziel muss zunächst sein, die FDP über fünf Prozent und damit im Bundestag zu halten. Das könnte dem oft unterschätzten Mister Mittelstand sogar gelingen. Die Krise wäre damit nicht überwunden. Aber die FDP hätte noch etwas Zeit gewonnen, überzeugend zu erklären, warum Liberale FDP wählen sollten.