Frankreichs Präsident Hollande will der Nation einreden, dass die Lage nicht dramatisch schlecht ist. Doch dies ist eine fatale Strategie, analysiert der Frankreich-Korrespondent der StZ, Axel Veiel. Denn im Ergebnis führe diese Politik in einen Teufelskreis.

Paris - François Hollande meint es gut mit seinen Landsleuten. Er hat ihnen die Ferienstimmung nicht verdorben. Wenn die Nation demnächst geschlossen in Sommerurlaub geht, mag den einen oder anderen Franzosen ein gewisses Unbehagen beschleichen. In der Wirtschafts- und Schuldenkrise müssten sich alle anstrengen, hat der Staatschef ihnen auf den Weg gegeben. Konkretes aber ist er schuldig geblieben. Und so dürfte sich das Unbehagen schnell verflüchtigen. Zumal der Präsident zu verstehen gegeben hat, dass es für das Volk so schlimm nicht kommen werde.

 

Vor allem die Reichen hätten die Haushaltslöcher zu stopfen, im Übrigen würden allfällige Opfer gerecht verteilt, hat Hollande versprochen – und Taten folgen lassen. Höhere Steuern auf Erbschaften, Dividenden und Vermögen sowie ein Spitzensteuersatz von 75 Prozent stehen auf der Agenda. Was zur Beruhigung erheblich beiträgt: bei der Krisenbewältigung scheint es auf ein paar Monate mehr oder weniger nicht anzukommen. Zeit, den sozialen Dialog über Arbeitsmarkt, Renten und Sozialsystem fortzusetzen, bleibt offenbar allemal; Zeit, um akute Probleme an Kommissionen weiterzureichen, ebenfalls.

Hollande dreht weiter an der Steuerschraube

Ob es um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft geht, die Finanzierung der Sozialversicherung oder die geplante Schließung des Peugeot-Citroën-Werkes in der Pariser Vorstadt Aulnay: der Staatschef hat sich der Probleme entledigt und sie Kommissionen anvertraut. So schlimm kann die Lage nicht sein, lautet der naheliegende Schluss. Schade nur, dass dies ein fataler Fehlschluss ist, denn die Zeit drängt. Es brennt lichterloh. Und zu allem Übel steuert Hollande in die falsche Richtung.

Nationaler Rechnungshof, EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds rufen im Chor dazu auf, Frankreichs im internationalen Wettbewerb weit zurückgefallene Wirtschaft zu entlasten. Doch Hollande dreht weiter an der Steuerschraube, bürdet den Unternehmen noch mehr auf, als seien rekordverdächtig hohe Staatsausgaben von 56 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht hoch genug.

Das Ergebnis ist ein Teufelskreis. Die unter der Abgabenlast ächzenden Unternehmen verdienen weniger, investieren weniger, schaffen weniger Arbeitsplätze, zahlen letztlich trotz höherer Sätze weniger Steuern. Im Juni versicherte Hollande, der Schuldenkrise allein mit Steuererhöhungen und ohne Einsparungen beikommen zu können.

Riesige Anstrengungen für das Volk

Ende Juli dann hat sein Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Moscovici angekündigt, 50 Prozent der Fehlbeträge im Haushalt seien nun doch durch Einsparungen wettzumachen. Der Anteil dürfte angesichts einer im Haushalt 2013 klaffenden Deckungslücke von 33 Milliarden Euro noch wachsen. Wenn man, wie Hollande, „Anstrengungen“ nennen will, was auf das Volk zukommt, dann sind sie auf alle Fälle riesig.

Bleibt die Hoffnung, dass es dem Präsidenten gelingt, die Last gerecht zu verteilen, dass die protestbereite Gesellschaft sie akzeptiert. Zweifel sind angebracht. Muss nicht ein jeder, der zusätzliche Opfer erbringen soll, dies als ungerecht empfinden? Ob er nun zur steuerlich bereits hochbelasteten Mittelklasse zählt, Mindestlohnempfänger ist oder gar keine Arbeit hat: ein Ja zu noch mehr Verzicht ist kaum zu erwarten. So wohltuend sich Hollandes Verbindlichkeit von der Sprunghaftigkeit und Prinzipienlosigkeit seines Vorgängers Nicolas Sarkozy abhebt: zu wünschen wäre, dass der Sozialist nach den Sommerferien couragierter zu Werke geht. Auf dem Spiel steht nicht nur die Zukunft Frankreichs, sondern auch die der EU. Über die zweitgrößte Volkswirtschaft der Union lässt sich beim besten Willen kein Rettungsschirm spannen. In seiner Zeit als Parteichef galt Hollande als entscheidungsschwach. Als Staatschef, als Krisenmanager, kann er sich diese Schwäche nicht leisten.