StZ-Redakteur Reiner Ruf sieht die Landespoltik im Zustand des Verharrens. Die grün-rote Agenda ist abgearbeitet – übrig bleiben die Animositäten der beiden Parteien. Und die CDU freut sich derweil auf die Rückkehr zur Macht.

Stuttgart - Die Landespolitik verabschiedet sich in den Sommerurlaub; wenn sich die Bühne Anfang September wieder füllt, beginnt der Landtagswahlkampf – reichlich früh, schließlich stehen die nächsten Wahlen erst im Frühjahr 2016 an. Nicht umsonst war vor einem Jahrzehnt die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert worden. Dahinter steckte die Absicht, die Arbeitsintervalle des Parlaments zu strecken und die wahlkampfbedingte Selbsthysterisierung des Politikbetriebs seltener auflodern zu lassen. Das war keine schlechte Idee, auch wenn weniger Wahlen weniger Demokratie bedeuten.

 

Doch nach gut drei Jahren ist diese Wahlperiode faktisch am Ende angelangt. Zum einen erweckt die grün-rote Koalition den Eindruck, sie sei programmatisch im Wesentlichen durch. Da wird, abgesehen von Restanten, nicht mehr viel kommen. Die Schulreformen sind unter Scheppern und Rumpeln aufs Gleis gesetzt, auf Windräder (und damit auf die Energiewende) warten wir immer noch, und die neue Beteiligungskultur hat sich schon wieder im Schatten der Tagespolitik verloren. Was das Publikum in den kommenden Monaten erwartet, ist die grün-rote Variante des bekannten christdemokratischen Einschlaflieds „Unser Land in guter Hand.“

Grün-Rot ist sich nicht grün

Ob das Einlullen der Wähler gelingt? Wohl kaum. Das hat vor allem auch mit den Unverträglichkeiten innerhalb des grün-roten Bündnisses zu tun. Je näher die Wahl rückt, desto ernster wird sich die SPD auf ihren verblichenen, jedoch nicht vergessenen Status als Volkspartei besinnen. Jüngst erst haben die Genossen ihre Absicht sehr deutlich bekundet, nach der Landtagswahl den Regierungschef selbst zu stellen. Es handelt sich um das legitime Ansinnen einer stolzen Partei. Nur passt dies wiederum schwerlich zum Masterplan der Grünen, die ihren Wahlkampf auf die simple, aber eingängige Botschaft abstellen werden: Winfried Kretschmann muss Ministerpräsident bleiben. Die Sozialdemokraten werden an der Aufgabe, innerhalb der Koalition die Führung zu übernehmen, indem sie den größten Aktivposten dieses Bündnisses – eben Winfried Kretschmann – in den Ruhestand schicken, noch heftig zu kauen haben. Ob sie so ihre Zustimmungswerte nach oben treiben können?

Fürs Erste aber führen die Christdemokraten das Wort. Im Herbst wollen sie in einer Mitgliederbefragung ihren Kretschmann-Herausforderer bestimmen. Das ist der zweite Grund für den frühen Wahlkampfstart. CDU-Landeschef Thomas Strobl und sein Gegenspieler, Landtagspräsident Guido Wolf, werden, so sie klug sind, Profil eher in der Auseinandersetzung mit Grün-Rot suchen als in der wechselseitigen Destruktion – was kleinere Fouls unter Parteifreunden ja keineswegs ausschließt. Strobl entdeckt schon jetzt grün-rotes Chaos, wohin ihn sein Weg auch führt.

Die CDU glaubt fest an den Wahlsieg 2016

Von Wolf ist diesbezüglich mehr Zurückhaltung zu erwarten. Das schuldet er allein schon seinem Amt als Landtagspräsident. Ohnehin scheint der dichtende Parlamentsvorsteher in seinem Selbststyling auf eine christdemokratische Version Kretschmanns hinzuarbeiten. Aber auch Wolf wird sich, ob er will oder nicht, der Hitze des Gefechts nicht entziehen können. Innerhalb der CDU ist man sich des Wahlsieges sicher; wer Spitzenkandidat wird, so glaubt man fest, schafft dann auch den Sprung in die Villa Reitzenstein. Solche Perspektiven steigern den Kampfeswillen, senken aber auch die Beißhemmung.

Vielleicht aber nimmt die Sache ja auch einen überraschenden Verlauf. Alle Beteiligten gönnen sich ein paar freie Tage, lesen ein gutes Buch, denken viel über den Sinn des Lebens nach – und kehren zurück sanften Gemüts, vereint im Erkennen, dass das Leben mehr ist als Macht und Erfolg. Aber danach strebt ja ohnehin niemand in der Politik. Allen geht es immer nur ums Gestalten. So wird es kommen, so wird es sein.