Die Grünen, die stärkste Kraft in Stuttgart, haben ihren Erfolg nicht nur auf dem Nein zu Stuttgart 21 aufgebaut, meint StZ-Lokalchef Achim Wörner.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Die Wahllokale waren kaum geschlossen, da hob auf dem Schlossplatz ein Volksfest an. Tausende feierten den Machtwechsel in einem Land, das fest in CDU-Hand war: Und sie feierten auch - wo immer man politisch stehen mag- einen Sieg der Demokratie; dies zumal angesichts der hohen Wahlbeteiligung.

 

Nirgendwo haben sich die neuen Verhältnisse an diesem historischen Sonntag besser gespiegelt als im Stuttgarter Rathaus, wo bei der Landtagswahl 2006 sich noch die Christdemokraten hatten feiern lassen - und nun die Grünen einen formidablen Triumph genossen. Mit dem Gewinn gleich dreier Direktmandate und einem auch insgesamt klaren Stimmenvorsprung setzte die Partei ihren Höhenflug fort. Ohne Zweifel ist es den Grünen mit ihrem klaren Nein zu Stuttgart21 gelungen, im konservativen Lager zu wildern; es wäre aber falsch, den Erfolg nur auf dieses Thema zu reduzieren. Die Partei trifft das Lebensgefühl der Menschen in der Großstadt offenbar am besten. Dazu passt, dass die türkischstämmige Muhterem Aras landesweit zur Stimmenkönigin ihrer Partei avancierte. Damit sind die Grünen nun auch die Favoriten bei der Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2012.

Stuttgart 21 bleibt beherrschendes Thema

Alle anderen Parteien in Stuttgart haben keinen Grund zur Freude: Die SPD schafft es wieder nicht, Kandidaten in den Landtag zu bringen. Da gibt es allen Anlass, selbstkritisch Bilanz zu ziehen. Und doch hat das eigentliche Debakel die CDU um den Kreis-Chef Michael Föll erlebt. Die Union wird also nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können - was übrigens auch für die zuletzt überbewerteten Liberalen gilt.

Welche Weiterungen aber hat das Stuttgarter Ergebnis darüber hinaus? Erstens: die Landeshauptstadt entsendet künftig nur noch fünf Abgeordnete - so wenige wie seit 1960 nicht. Das schwächt den Einfluss der Schwabenmetropole. Zweitens: die wenig gedeihlichen Auseinandersetzungen zwischen der grün-roten Mehrheit im Gemeinderat und einer nach wie vor schwarz dominierten Verwaltung mit CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster an der Spitze werden an Schärfe zunehmen. Drittens: speziell Schuster wird nicht nur verstärkt vom politischen Gegner Druck verspüren - sondern bei der Suche nach "Sündenböcken" auch aus den eigenen Reihen. Stefan Mappus hat mit seinem Angriff auf den OB kurz vor der Wahl entsprechende Signale gegeben. Und viertens: Stuttgart21 wird das beherrschende Thema bleiben - auch weil Rote und Grüne gespalten sind. Die Erwartungen der Gegner aber sind enorm; und speziell die Parkschützer legen dabei ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie an den Tag, wie noch in der Nacht deutlich wurde. So steht eines fest: die Wahlsieger werden nicht lange feiern können. Nachdem der Gipfel erklommen ist, sind die Mühen der Ebene in Sicht.