In der Lebensmittel-Branche grassiert das Betrugsvirus, befindet die StZ-Autorin Christine Pander. Und von Skandal zu Skandal wird der Verbraucher immer mehr verunsichert. Deshalb sind schärfere Kontrollen nötig.

Stuttgart - Unsere Lebensmittel sind sicher. Statistisch betrachtet sollen sie sogar sicherer sein als jemals zuvor. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wird nicht müde, diesen Satz zu wiederholen. Und das BfR ist nicht irgendein Amt: es ist die wissenschaftliche Einrichtung der Bundesregierung, der höchste Wächter, wenn es um die Risikobewertung von Lebensmitteln geht. Nach dem Pferdefleisch- und Eier-Debakel mag diese Aussage in manchen Ohren zwar wie blanker Hohn klingen, wahr ist sie dennoch.

 

Was Deutschland derzeit erlebt, ist keine Qualitäts-, sondern eine handfeste Vertrauenskrise. Das Virus, das auf den globalen Lebensmittelmärkten umgeht, heißt Verantwortungslosigkeit. Siegel halten nicht immer, was sie versprechen. Auf Zutatenlisten prangen fette Lügen. Kriminelle tricksen, panschen und täuschen. Und von Skandal zu Skandal wächst die Verunsicherung der Konsumenten. Dabei legen viele Verbraucher Wert auf gesundes Essen, hören auf ihr ökologisches Gewissen, kaufen fair und versuchen dabei zu genießen. Doch selbst der informierteste Konsument kann nicht kontrollieren, ob die Herstellerangaben auf den sorgsam ausgewählten Produkten stimmen. Ihn trifft an den aktuellen Skandalen keine Schuld.

Es muss drin sein, was draufsteht

Natürlich: es gibt auch jene, die sich nicht um ihre Ernährung scheren; die verlernt haben, sich mit Lebensmitteln zu beschäftigen. Wer den Wert eines Lebensmittels nicht kennt, wird sich auch über den niedrigen Preis nicht wundern. Im harmlosen Fall gibt es für den unreflektierten Kauf eine kräftige Dosis Geschmacksverstärker in minderwertigen Gerichten. Vielleicht sind aber auch Rückstände drin: der vermehrte Einsatz von Medikamenten in der Tierzucht ist eine Folge des Preisdrucks. Trotzdem muss auch im billigsten Fertiggericht drin sein, was draufsteht. Die gesetzlichen Bestimmungen sind keine Orientierungsmarken, sondern Pflicht.

Doch selbst wenn die bestehenden Gesetze eingehalten werden, ist noch Spielraum für Täuschereien. Die Lebensmittelüberwachung ist in Deutschland Sache der Länder, das Prozedere dementsprechend kompliziert. Die Folge der Zuständigkeitsverteilung ist eine große Vielfalt an Kontrollmethoden und Kontrolldichte. Seit 2006 legen die Bundesländer gemeinsam mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz den „Bundesweiten Überwachungsplan“ fest. Er soll die Vergleichbarkeit der Daten garantieren. Die Probenentnahmen sind überwiegend risikobasiert. Döner kommt häufiger dran als Steak. Und im Alltag der Kontrollbehörden sind nicht nur die personellen, sondern auch die finanziellen Ressourcen begrenzt.

Ernüchternde Antworten

Gerade das Geschacher mit dem Pferdefleisch zeigt, wie unübersichtlich die Warenströme heute sind. An jeder Stelle des Vertriebs ist Betrug möglich. Ihn nachzuweisen, den Verantwortlichen in diesem Geflecht zu identifizieren ist schwer. Das macht die Lebensmittelindustrie anfällig für Betrügereien. Der Kunde kann sich nun fragen, wie er überhaupt an sichere, gute Ware kommen soll. Die Antwort fällt ernüchternd aus, denn eine klare Orientierung gibt es nicht. Keines der unterschiedlichen Kriterien, die auch während des Eier-Skandals angeführt wurden, hält einer harten Überprüfung stand. Weder der Preis noch die Kennzeichnung oder die Herkunft geben eine Garantie.

Vertrauenskrisen wie diese können also nicht mit erhobenem Zeigefinger und dem Appell an den gesunden Menschenverstand der Konsumenten gelöst werden. Was auf Verpackungen aufgedruckt und von Siegeln versprochen wird, muss verlässlich sein. Absolute Sicherheit wird es zwar nie geben, aber strengere Kontrollen, härtere Sanktionen bei Verstößen und die schnelle Veröffentlichung der Namen unseriöser Unternehmer könnten zumindest etwas mehr Sicherheit bringen.