Portugal braucht Hilfe von seinen EU-Mitgliedern, kann aber keinerlei Gegenleistung bieten, meint StZ-Wirtschaftschef Michael Heller.      

Stuttgart - Also doch. Lange haben sich die Portugiesen gegen den Gang nach Canossa gewehrt, jetzt müssen sie ihn ebenso antreten, wie es zuvor Griechenland und Irland getan haben: Das westlichste Land Europas braucht die Hilfe seiner Partner und sucht Zuflucht unter dem Eurorettungsschirm. Fast wirkt es so, als seien die Krisenfälle zur Routine geworden.

 

An den Finanzmärkten hat die Entscheidung Portugals am Donnerstag keine große Unruhe ausgelöst. Und auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich nicht verunsichern lassen. Wie seit langem erwartet, ist nach drei Jahren die Zinswende da; die Leitzinsen steigen um 0,25 Prozentpunkte.

Dass zuvor die Zentralbanken in Japan und in England die Zinsen unverändert gelassen haben, deutet aber darauf hin, dass der Fall Lissabon die Notenbanker weltweit zumindest noch einmal hat innehalten lassen. Auf den ersten Blick spricht ja wirklich nicht viel dafür, die Zinsen zu erhöhen, wenn gleichzeitig Länder wie Portugal angesichts von zweistelligen Zinssätzen die weiße Flagge hissen. Aber die EZB hat versprochen, die Märkte nicht zu überraschen, sondern berechenbar zu handeln.

EZB wird Zinsen weiter errhöhen

Deshalb ist die Zinserhöhung konsequent und auch richtig; einerseits sind für die Schuldner die Folgen überschaubar; andererseits signalisiert die Zentralbank, dass die gefährliche Politik des billigen Geldes, die ja ein auslösender Faktor für die Staatsschuldenkrise gewesen ist, endlich zu Ende geht.

Die EZB wird es kaum bei diesem Zwergenschritt belassen, zumal die Inflation im März mit 2,6 Prozent deutlich oberhalb der Stabilitätsmarke von 2,0 Prozent lag. Tendenziell führen höhere Zinsen zu einer Euroaufwertung, weil Geldanlagen in der Gemeinschaftswährung attraktiver werden. Die Folge: Einfuhren wie zum Beispiel Öl werden billiger, was die Inflation dämpft. Nur durch weitere Zinserhöhungen gewinnt die EZB ihre geldpolitische Handlungsfähigkeit zurück - auch wenn dies womöglich eine schlechte Nachricht für die Schuldensünder in der EU ist.

Andererseits ist das eigentliche Problem von Ländern wie Portugal nicht das Zinsniveau, auf das die EZB Einfluss hat. Es sind die Risikoaufschläge, die Investoren aufgrund einer unsoliden Finanzpolitik verlangen. Und da der Stabilitätskurs der Eurozone immer wieder angezweifelt wird, dauert die Krise an; weitere Fälle wie zum Beispiel Spanien drohen.

Umso schwerwiegender ist, dass Europa keinen eingespielten Mechanismus für den Umgang mit Schuldenkrisen hat. Die Gemeinschaft ist bereit und in der Lage, ihren Mitgliedern in der Not beizustehen. Der Preis für die Hilfe sind aber einschneidende Sparprogramme, die von den Parlamenten abgesegnet werden müssen.

Es wird leichter, an das Geld aller EU-Mitglieder zu kommen

Da ist Streit programmiert, zumal es zu jedem Sanierungskonzept Alternativen gibt; stets wird es Parteien geben, die einen Plan für unausgewogen halten. Griechenlands Premierminister Georgios Papandreou hat gleichwohl bisher alle Stürme überstanden, sein irischer Amtskollege Brian Cowen hat zunächst den Sanierungsplan mit Brüssel ausgehandelt und ist dann abgewählt worden. Portugals Regierung ist schon vorher gescheitert.

Das führt nun zu dem Dilemma, dass Verhandlungen mit einer Regierung geführt werden müssen, die nur noch geschäftsführend im Amt ist, also keine parlamentarische Legitimation mehr hat. Bei nüchterner Betrachtung sind Einigungen mit solch einem Kandidaten wertlos. Denn das dürfte klar sein: hat Portugal erst einmal die 60 bis 80 Milliarden Euro, über die spekuliert wird, dann ist das Geld zunächst einmal weg.

Niemand wird es zurückholen können. Andererseits kann mit den Hilfen nicht so lange gewartet werden, bis Portugal eine neue Regierung mit einem eigenen Sanierungsplan hat. Das Dilemma: es wird leichter, an das Geld aller Mitglieder der Eurozone zu kommen, und die Transferunion rückt wieder einen Schritt näher.