Trotz des Spardrucks bei der Lufthansa: der Widerstand der Flugbegleiter gegen eine Abwertung ihres Berufsstandes leuchtet ein, meint StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Wut der Passagiere, die insbesondere in Frankfurt vergeblich auf das Einchecken warten, ist verständlich. Der Ausstand der Lufthansa-Flugbegleiter trifft sie hart. Allerdings wird ein Streik stets zu Lasten der Kunden ausgetragen. Wie sonst? Andernfalls würde er keinen ökonomischen Druck entfalten, und das Streikrecht bliebe folgenlos.

 

Die Wut der Passagiere darf sich aber nicht gegen die Stewardessen und Stewards richten, weil der Tarifkonflikt in erster Linie vom Management ausgelöst wurde. Weil die Billigflieger, die subventionierten Edelairlines aus der Golfregion und die steigenden Kerosinpreise die operativen Verluste der Lufthansa anschwellen lassen, hat die Führung mit einem Sparpaket zum großen Schlag gegen das Kabinenpersonal ausgeholt. Dabei kann die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo nicht tatenlos zusehen – ihr Streik ist eine logische Folge.

Der Streit um den Lohn ist eher Nebensache

Denn wie so oft droht auch in dem am Freitag ausgebrochenen Flugplanchaos die Übersicht verloren zu gehen, über was genau verhandelt wird. Keineswegs geht es nur um ein paar Lohnprozente – die Lücke zwischen den vom Management vage angebotenen 3,6 Prozent und den von der Ufo geforderten fünf Prozent ist leicht zu überwinden. Auch an der Bereitschaft, Zugeständnisse zu machen, wird es bei ihr wohl kaum scheitern. Der Kern des Konflikts berührt vielmehr die Frage: Bietet der Flugbegleiterberuf noch einen ansehnlichen Status – oder wird er zu einer minderwertigen Tätigkeit herabgestuft, über die das Unternehmen hochflexibel verfügen kann?

Der Trend weist in diese Richtung. Anbieter wie Ryanair exerzieren die Billigmasche in Cockpit und Kabine in hanebüchener Weise vor. Selbst bei den deutschen Discountfliegern erscheinen die Arbeitsbedingungen wenig erstrebenswert – zumal der Job etliche Belastungen mit sich bringt. Ob man diesen Trend begrüßt oder ablehnt, ist auch eine Frage der Perspektive: Der Geschäftsreisende legt vor allem Wert auf einen guten Service, er wird weitere Verschlechterungen bei der Lufthansa nicht hinnehmen wollen. Der Spontanflieger hingegen schätzt in erster Linie die günstigen Ticketpreise. Doch muss er sich fragen lassen, inwieweit diese auf Kosten der Beschäftigten ermöglicht werden dürfen. Will er es wirklich mit fliegenden Kellnerinnen zu tun haben, denen es an einer guten Ausbildung und Motivation fehlt?

Gegen eine Auslagerung und Leiharbeit

So ist der Widerstand der Gewerkschaft plausibel, wenn sich die Lufthansa mit einer neuen Billiglinie auf Dumpingkurs begibt. Würde die Ufo dies nicht verhindern wollen, könnte auf längere Sicht das Gros des Personals in niedrigere Tarife gedrängt werden. Gleiches gilt für den Einsatz von Leiharbeitern, der seit Juni in Berlin praktiziert wird. Dort sollen 240 Stewardessen und Stewards über die Zeitarbeitsfirma Aviation Power eingestellt werden, an der Lufthansa mit 49 Prozent beteiligt ist – eine Provokation. Wenn das Modell Schule macht, findet es überall im Konzern Anwendung – mit dem Nachteil, dass den Leiharbeitnehmern jegliche Absicherung und Perspektive vorenthalten wird. Die Ufo klagt gegen die sogenannte Fremdbereederung, ist vor Gericht aber chancenlos. Also muss sie streiken.

Der Konflikt bildet eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung wie unter dem Brennglas ab. Vielerorts geht es darum, Dienstleistungen so günstig wie nur möglich zu machen. Gerade in der Luftfahrt, wo die globale Konkurrenz direkt aufeinandertrifft, ist dieser Trend kaum zu stoppen. Statt mit Qualität Marktanteile zu sichern, lässt sich selbst die Lufthansa auf den Wettbewerb um das günstigste Flugticket ein. Derlei prominente Beispiele verheißen auch vielen anderen Arbeitnehmern nichts Gutes für die Zukunft.