Im Vorfeld der im Januar beginnenden Tarifrunde gibt sich die IG Metall zuversichtlich, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht. Daher fordert sie 5,5 Prozent mehr Lohn. Doch die Konjunkturlage birgt Risiken, meint StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stagnation, Wachstumsdelle oder stabiler Aufwärtstrend? Lange nicht mehr hat die IG Metall ihre Lohnforderung in einer so fragilen Wirtschaftslage erhoben. Lange nicht mehr musste sie so sehr um die Deutungshoheit über die konjunkturelle Entwicklung kämpfen. Bei 5,5 Prozent hat sie die Messlatte für die Tarifrunde aufgelegt. Dies ist kein Signal von Unsicherheit und Bescheidenheit, sondern ein Ausdruck der Zuversicht, dass es der Metall- und Elektroindustrie weiterhin gut gehen wird.

 

Dieser Vorwärtsdrang ist mutig, nachdem die Konjunkturforscher ihre Prognosen für 2015 nach unten revidiert haben. Dies hat allerdings auch mit überhöhten Erwartungen im Frühjahr zu tun. So ist seit dem Sommer in kurzer Zeit der Eindruck entstanden, dass ein Abschwung bevorsteht. Die Wirtschaftslage in den Keller zu reden, verbietet sich jedoch. Die IG Metall tut ihrerseits gut daran, neue negative Ausschläge nicht schönzureden, sondern flexibel darauf zu reagieren. Übertriebene Wünsche sind ohnehin nicht angebracht. Wer die Entgelte seit 2007 um zwanzig Prozent hochtreiben konnte, hat keinen Nachholbedarf. Angesichts der geringen Inflation haben die Beschäftigten zuletzt ein stattliches Reallohnplus erzielt, zumal vielerorts die Boni noch obendrauf kommen. Der Binnenkonsum wurde gestärkt.

An der Entschlossenheit der IG Metall ist nicht zu zweifeln

In der neuen Tarifrunde will die IG Metall zudem nicht nur mehr Geld, sondern auch inhaltliche Forderungen als Zugaben durchsetzen. Neben den angestrebten Verbesserungen beim Übergang in die Rente hat es vor allem der Wunsch nach einer Bildungsteilzeit in sich, weil die Arbeitgeber erneut draufzahlen sollen. Wer – wie die Wirtschaft – gegenüber der Politik ständig die Bildung und den Fachkräftemangel thematisiert, darf sich nicht wundern, wenn er nun in die Pflicht genommen wird.

Speziell bei den an- und ungelernten Kräften liegt – zum Teil selbst verschuldet – ein großes Potenzial brach. Sie müssen genauso zum weiteren Lernen motiviert werden wie so viele andere Beschäftigte, die angesichts der rasanten technologischen Entwicklung in der Industrie in einigen Jahren sonst überflüssig werden könnten. Keine Frage, die Metallarbeitgeber zahlen schon Milliarden für die Qualifizierung, und es gibt bereits Tarifregelungen zur Weiterbildung. Dennoch ist es elementar, dass die Tarifparteien das Zukunftsthema neu in Angriff nehmen, damit noch mehr Beschäftigte davon profitieren.

Auch diesmal ist an der Entschlossenheit der IG Metall, all die Forderungen erfüllt zu bekommen, nicht zu zweifeln. Warnstreiks gehören dabei zum Standardprogramm. Auf einen Arbeitskampf hingegen werden es beide Seiten nicht ankommen lassen, weil mangelnde Verlässlichkeit eine Bedrohung für die Industrie wäre. Dies ist – zum Glück – ein großer Unterschied zu den Tarifhasardeuren bei der Bahn und der Lokführergewerkschaft.