Wohin denn nun mit den Montagsdemos? Es ist legitim, die Kundgebungen gegen das Großprojekt Stuttgart 21 auf den Stuttgarter Marktplatz zu verlegen, findet StZ-Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Am Montag war ein Geschäftsmann aus München in der Stadt. Er hatte bis 17 Uhr in Möhringen zu tun. Zur Rückfahrt hatte er ein Ticket für den ICE um 18.12 Uhr gebucht. „Aber reicht das überhaupt“, fragte der Mann plötzlich bang, „eine Stunde bis zum Hauptbahnhof? Montags haben Sie in Stuttgart doch immer diese Demonstrationen . . .“

 

Diese Episode erzählt von einem Dilemma, das die Bürger der baden-württembergischen Landeshauptstadt seit vier Jahren umtreibt. Es geht einerseits um die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit. Zum anderen geht es um diejenigen Bürger, die dieses Grundrecht akzeptieren, sich aber zunehmend ihrer individuellen Freiheit beraubt fühlen, wenn sie montags ihr Ziel in der Innenstadt wieder nicht erreichen, weil andere nach wie vor gegen ein Bahnprojekt demonstrieren, das längst alle demokratischen Hürden genommen hat. Trotzdem wiegt das Demonstrationsrecht schwerer; ein Blick nach Kiew genügt, um zu erkennen, wie wichtig es ist, dass Bürger für ihre Überzeugungen streiten können.

Demonstranten müssen auch Befürworter akzeptieren

Auf der anderen Seite wird es höchste Zeit, dass die Montagsdemonstranten  akzeptieren, dass nicht nur die meisten Politiker in Stadt und Land Stuttgart 21 befürworten, sondern auch die Mehrheit der Bürger dafür gestimmt hat. Es ist daher ein legitimes Ansinnen der Majorität, die wöchentlichen Kundgebungen der Minorität an einen Ort zu verlegen, der weniger Verkehrsbehinderungen nach sich zieht. Und immerhin: es geht dabei nicht um die Sauhalde in Zuffenhausen, sondern um den zentral gelegenen Marktplatz. Diesen als Versammlungsort anzunehmen, wäre ein Zeichen von Demokraten an Demokraten.

Das beste Mittel, um die Demonstrationen zu verringern, wäre indes eine Bahn, die ihre eigenen Baustellen in den Griff bekommt – sowohl jene, die mit Baggern bearbeitet werden, als auch jene, in denen es um Genehmigungsverfahren geht. Aber daran zu glauben, ist wohl eher ein Traum.