Die neuen Gehälter für Hochschullehrer sind durchaus kritikwürdig, verfassungswidrig sind sie aber nicht, meint StZ-Redakteur Stefan Geiger.
Stuttgart - Man kann durchaus der Überzeugung sein, einige Professoren würden, gemessen an ihrer Leistung, zu schlecht bezahlt – genau so wie viele andere Arbeitnehmer auch. Es gibt gute Argumente für die These, es sei unangemessen, die nachwachsende Professorengeneration finanziell zu deklassieren. Dies widerfährt auch vielen anderen Arbeitnehmern, beispielsweise all jenen, die nur noch als Leiharbeitnehmer einen Einstieg in das Berufsleben finden.
Bei den Professoren wird freilich nicht ein ganzer Berufsstand deklassiert. Das vorhandene Geld wird nur anders verteilt. Die Stars bekommen mehr, andere weniger. Leistung zu belohnen ist nicht schlecht. Zu Recht entzündet sich Kritik aber daran, dass auch belohnt wird, was nicht zu den Kernkompetenzen eines Professors zählt. Der soll ein exzellenter Wissenschaftler sein und Studenten gut ausbilden. Mehr Geld bekommen aber auch jene, die für ihre Universitäten viele „Drittmittel“ einwerben, Geld, das der Staat nicht mehr selbst zahlen muss. Das fällt einem Paläontologen naturgemäß schwerer als einem Gen-Forscher. Es gibt schon Gründe, an der W-Besoldung zu zweifeln.
Aber es gab bisher noch kein Menschenrecht, das besagt hätte, jeder deutsche Professor müsse deutlich mehr als 4000 Euro im Monat verdienen. Dieses Grundrecht hat am Dienstag erst das Bundesverfassungsgericht kreiert. Im Grundgesetz steht dazu ein einziger Satz: „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“ Es steht dort wirklich „Berücksichtigung“, nicht Zementierung. Kein anderer Grundgesetzartikel wird von den Richtern nun schon seit Jahrzehnten so extensiv ausgelegt wie dieser. Und die Richter entscheiden als Beamte stets auch in eigener Sache. Würde der Satz „Eigentum verpflichtet“ nur halb so weit interpretiert, wir hätten sozialistische Verhältnisse.
Ähnlich fürsorglich kümmern sich die Richter um andere nicht
Wohlgemerkt, es geht den Verfassungsrichtern um jene Professoren, die in der untersten Besoldungsstufe auf ihrem Grundgehalt hocken und keine Leistungszulage erhalten. Die Richter selbst stellen fest, dass in der freien Wirtschaft immerhin 20 Prozent der gleich qualifizierten Arbeitnehmer in vergleichbar verantwortungsvollen Stellen noch schlechter bezahlt werden. Und die allgemeinen Arbeitsplatzrisiken sind dort größer als im öffentlichen Dienst. Für die Verfassungsrichter ist dies freilich nur ein weiterer Beleg dafür, dass die Professorenbesoldung „evident unzureichend“ ist. Aber ist sie deshalb gleich auch verfassungswidrig?
Wohl den Bundesländern, die wie Baden-Württemberg ihre Professoren jedenfalls an den Universitäten noch vergleichsweise gut bezahlen. Sie haben dadurch einen Wettbewerbsvorteil. Das Karlsruher Urteil aber ist kritikwürdig – nicht wegen dem, was drin steht. Sondern weil sich die Richter um die noch viel größeren und wirklich existenziellen Sorgen anderer Arbeitnehmer (und Arbeitsloser) nie in einer vergleichbaren Fürsorglichkeit geschert haben. Das ist der Skandal.