Die EU-Regierungen düpieren das Europa-Parlament – wieder einmal, sagt StZ-Redakteur Christopher Ziedler.

Stuttgart - Es ist keine Petitesse, es geht ums Prinzip. Auf den ersten Blick mag das Gezänk rund um die korrekte Rechtsgrundlage für die Reform des Schengen-Systems als kleinkariert erscheinen. Die Frage, ob nun Artikel 70 zur Anwendung kommt, wie das Europas Innenminister wollen, oder doch Artikel 77 des EU-Vertrages, wie es die Brüsseler Kommission vorgeschlagen hat, verdient aber auch jenseits juristischer Zirkel Beachtung. Denn die erste Variante schließt das Europaparlament von der Entscheidung über eine der zentralen Errungenschaften Europas aus. Wenn es schon für notwendig erachtet werden sollte, für eine sehr lange Zeit von bis zu zwei Jahren wieder Grenzkontrollen einzuführen, dann doch bitte auf demokratisch legitimierter Grundlage!

 

Das Europaparlament ist die einzige direkt von den Bürgern legitimierte EU-Institution. Es zu stärken statt zu schwächen täte not. In der Eurokrise ist es ohnehin an den Rand gedrängt worden, da eben noch keine Fiskalunion existiert und die nationalen Parlamente dafür zuständig sind, Hilfsmilliarden für Rettungsschirme frei zu geben. Die Bewertung der Lage an den EU-Außengrenzen ist dagegen sicher nicht die Hauptsorge des Deutschen Bundestags. Wenn dann auch noch das Europaparlament außen vor gehalten wird, ist das für den demokratischen Prozess schädlich.