Beseelt vom Helfersyndrom werden in der Krise die Grundsätze der Marktwirtschaft über Bord geworfen, meint StZ-Ressortleiter Michael Heller. Banken sollten in die Insolvenz geschickt und nicht gerettet werden.

Stuttgart - Die Finanzkrise ist wieder da angelangt, wo sie vor fast vier Jahren ihren Ausgang nahm: Sie präsentiert sich als Bankenkrise, wobei diesmal alles noch schlimmer ist. Denn sie ist verquickt mit der Staatsschuldenkrise: Trudelnde Banken müssen Staatspapiere in ihren Büchern abschreiben, der Staat eilt zu Hilfe, was dessen Bonität schmälert , die Staatspapiere verlieren wieder an Wert und so weiter. Die Krise nährt die Krise. Und deshalb glaubt wohl auch niemand so recht, dass die 100 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds EFSF für Spanien, reserviert für die Kreditbranche des Landes, das Problem wirklich lösen.

 

Längst gehen die Überlegungen weiter und erreichen Schwindel erregende Dimensionen. Das längerfristige Ziel ist, dass die Gemeinschaft via Rettungsfonds nicht mehr nur Ländern hilft, sondern auch für Banken haftet, die ins Wanken geraten sind. Beseelt vom Helfersyndrom werden marktwirtschaftliche Grundsätze über Bord geworfen. Denn für die Sanierung von Pleitebanken, deren Zahl täglich zunimmt, sind eigentlich Eigentümer und Gläubiger zuständig. Auch von der eigenen Regierung ist immer seltener die Rede; unverhohlen wird nach europäisch beflaggten Rettungsschirmen und Geldtöpfen geschielt. Und es geht weiter. So gibt es in Brüssel Pläne für eine europäische Einlagensicherung. Was das heißt? Privates Geld aus Ländern wie Deutschland würde zur Sanierung von Pleiteinstituten im Ausland herangezogen.

Regeln außer Kraft gesetzt

In der Marktwirtschaft ist eigentlich die Insolvenz die Strafe für den Misserfolg; wird diese Regel außer Kraft gesetzt, dann ist das System in Gefahr. Genau dies geschieht im Moment. Akteure erklären sich für systemrelevant und schon besteht Anspruch auf Hilfe in jeglicher Höhe. Die Marktregeln gelten nur noch für Schlecker & Co, weil diese Unternehmen verzichtbar erscheinen. Den Markt haben große liberale Denker wie Friedrich von Hayek einst als Entdeckungsverfahren, dessen Ergebnisse ungewiss sind, beschrieben.

Dieses Denken ist auf den Hund gekommen. In völliger Verkennung marktwirtschaftlicher Abläufe werden nun zum Beispiel Banken sogenannten Stresstests unterworfen, ganz so als handele es sich um eine physikalische Versuchsanordnung: Da ein bisschen drehen, dort ein wenig justieren, und schon ändert sich das Ergebnis. Nur wer glaubt, dass der Markt so funktioniert, kann sich darüber wundern, dass die Ergebnisse der Stresstests das Papier nicht wert sind, auf dem sie notiert werden.

Nur radikale Lösungen helfen weiter

Statt die Kreditwirtschaft zu verstaatlichen, müssen endlich die wahren Ursachen der Bankenkrise bekämpft werden. Im Kern geht es darum, die Trennung von Risiko und Haftung wieder aufzuheben. Kein Spekulant sollte seine Gewinne privat in die Tasche stecken und die Verluste der Allgemeinheit aufhalsen dürfen. Nur radikale Lösungen helfen weiter. So hat zum Beispiel Nikolaus von Bomhard recht, wenn er die Zerschlagung der Großbanken fordert. Im Hause des Chefs des Versicherungskonzerns Munich Re (früher: Münchener Rück) spukt übrigens nicht der Sozialismus. Mit der Ex-Schwester Allianz und der Deutschen Bank war der Konzern das Rückgrat der sogenannten Deutschland AG. Das war jene Wirtschaft, in der die Banken nicht nach Staatsknete schielten, sondern für sich in Anspruch nahmen – was auch problematisch war –, Mitverantwortung für das Gemeinwohl zu tragen.

Da es aussichtslos und auch nicht sinnvoll ist, alle Spekulationsgeschäfte der Banken zu verbieten, liegt es nahe, ein Trennbankensystem einzuführen: Kreditbanken, die in der Krise mit Unterstützung rechnen können, und Investmentbanken, die spekulieren und scheitern dürfen. Dieses Modell stammt übrigens nicht von Feinden der Marktwirtschaft, sondern galt in den USA , bevor es in den neunziger Jahren dem Deregulierungswahn zum Opfer fiel.