Die Spionageaktivitäten der US-Geheimdienste in Deutschland haben viel Vertrauen zerstört. Der Zwist zwischen Berlin und Washington nutzt jedoch nur den Feinden des Westens, meint der Berliner Büroleiter der StZ, Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Ami go home? Solche Sprüche waren ehedem nur dort im Schwange, wo rote Fahnen geschwenkt wurden. Wer hätte gedacht, dass eine deutsche Kanzlerin sich genötigt fühlen könnte, so zu handeln? Angela Merkel macht ernst mit der alten Spontiparole – zumindest dieses eine Mal. Der Rauswurf des obersten US-Agenten markiert ein tiefes Zerwürfnis. Hier offenbart sich ein Bruch im deutsch-amerikanischen Verhältnis, dessen Pflege seit Adenauers Zeiten bundesrepublikanischer Staatsräson entsprach.

 

Die rote Karte für den CIA-Diplomaten ist ähnlich provokant wie Schröders „Nein“ zum Irak-Krieg vor zwölf Jahren, wenn auch nicht zwangsläufig so folgenreich. Merkel war zu einer harschen Reaktion gezwungen. Sie entschied sich für eine diplomatische Unmutsgeste, die maximale Empörung zum Ausdruck bringt, aber in der realen Politik zunächst einmal minimalen Schaden anrichtet. Es ist auch ein Signal der Hilflosigkeit. Andere Manifestationen des Protestes standen nicht zu Gebote.

Die USA haben viel Vertrauen zerstört

Alle diskutierten Alternativen sind letztlich Hirngespinste. Edward Snowden aus Trotz jetzt doch in Deutschland Asyl zu gewähren, würde geltendem Recht widersprechen. Auf die fortdauernde Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten sind wir mehr angewiesen als die Amerikaner. Auch das Freihandelsabkommen taugt nicht zum Faustpfand, es entspricht den essenziellen Wirtschaftsinteressen beider Staaten.

Die Unverfrorenheit, mit der die USA in Deutschland flächendeckend die Kommunikation überwachen, selbst das Handy der Kanzlerin bespitzeln und offenbar skrupellos Mitarbeiter deutscher Sicherheitsbehörden als Spione anwerben, hat viel Vertrauen zerstört. Sie liefert einem latenten Anti-Amerikanismus neue Argumente, der von links weit in die Gesellschaft hinein wuchert und auch an deren rechtem Rand gedeiht. Selbst eingefleischte Transatlantiker sind frustriert, wie anmaßend imperial, rechthaberisch und ignorant die Amerikaner sich in der Spionageaffäre gebärden. Die vermeintlich besten Freunde benehmen sich wie Feinde. Ihr Anspruch, global auszuspähen, was immer ihnen wissenswert erscheinen mag, ist ein Misstrauensvotum an die Adresse der Verbündeten. Misstrauen ist deshalb der eigentliche Sprengstoff, den diese Affäre birgt.

Der Hader nutzt weder Deutschen noch Amerikanern

Offenbar prallen hier zwei Denkmuster aufeinander, bei allen gemeinsamen Werten und Traditionen, denen in Sonntagsreden gehuldigt wird. Die USA beanspruchen für sich die Rolle als letzte verbliebene Weltmacht. Sie führen sich auf wie der einzig wirklich souveräne Staat. Aus ihrem Sicherheitsbedürfnis leiten sie das Recht ab, souveräne Rechte anderer Staaten missachten zu dürfen. Merkel & Co. müssen darauf pochen, dass Datenschutz und Grundrechte keine exklusiven Privilegien der US-Bürger sind. Man mag die Spitzelpraxis der Vereinigten Staaten für eine „Dummheit“ halten – zu dulden ist sie nicht.

Was nun? Der Hader zwischen Berlin und Washington nutzt weder Deutschen noch Amerikanern. Darüber freuen sich nur all jene, die Demokratie für hinderlich, liberales Denken für Gotteslästerung, Rechtsstaatlichkeit für entbehrlichen Luxus und Gewalt für ein Allheilmittel der Politik halten. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig, einen Konflikt zu kultivieren, von dem nur die Feinde des Westens profitieren: Der Nahe Osten droht in Gewalt zu versinken. An Europas Ostgrenze ist der Frieden akut bedroht. Die Gefahr des islamistischen Terrors ist keineswegs gebannt. Es gibt Gründe genug, sich auf gemeinsame Interessen und Risiken zu besinnen. Darauf hat auch die Kanzlerin hingewiesen, als sie den Bannstrahl auf jenen US-Diplomaten richtete, der in Berlin die Geheimdienstaktivitäten koordiniert. Ihre Mahnung ist berechtigt. Doch gemeinsames Handeln bedarf einer stabilen Vertrauensbasis. Darauf stützt sich jedes Bündnis.