Wer glaubt, bürgerschaftliches Engagement als Stadtrat in Stuttgart müsse sich für ihn rechnen, ist im Rathaus fehl am Platz, meint StZ-Redakteur Thomas Braun zur Erhöhung der Stadtratsvergütung um 300 Euro.

Stuttgart - „Tun Sie gelegentlich etwas, womit Sie weniger oder gar nichts verdienen. Es zahlt sich aus.“ So hat der Kabarettist Oliver Hassencamp den Sinn des Ehrenamts trefflich definiert. Diese Haltung legen jene Frauen und Männer an den Tag, die etwa als Schöffen, Feuerwehrleute, in der Jugendarbeit oder den Kirchen freiwillig und oft nur für einen warmen Händedruck Dienst für die Gesellschaft leisten.

 

In der baden-württembergischen Kommunalverfassung ist auch das Gemeinderatsmandat als Ehrenamt definiert. 20 bis 30 Wochenstunden investieren die Stadträte im Schnitt für die Kommunalpolitik, jonglieren mal mit Tausenden, mal mit Millionen Euro, mischen bei der Stadtplanung mit und kümmern sich auch um die kleinen Sorgen und Nöte der Bürger. Meist sind es freilich nur wenige, die den Karren ziehen und an denen die Arbeit hängen bleibt. Sie haben einen Zuschlag redlich verdient.

Im Gegensatz zu den gut situierten Honoratioren, die früher die Stadtparlamente prägten, findet sich heute im Rathaus ein durchaus repräsentativer Querschnitt fast aller Berufs- und Einkommensgruppen. Es ist nicht zu beanstanden, dass alle Ratsmitglieder eine ihrem Einsatz angemessene Aufwandsentschädigung erhalten.

Aber dass sich der im Mai neu gewählte Stuttgarter Gemeinderat schon nach einem Zehntel der Wahlperiode und außerhalb der Haushaltsberatungen nach dem Gießkannenprinzip das Salär allzu opulent aufstocken wollte, war instinktlos. Immerhin sind 23 Neulinge im Gremium vertreten – ihre bisherigen Verdienste um das Gemeinwohl sind äußerst überschaubar.

Das Ehrenamt nicht entwerten

Dass die Fraktionen ihre ursprüngliche Forderung nun abgemildert haben, ist vernünftig. Wenn man ihre Vergütung mit den Bezügen und der Ausstattung der Stadträte in Karlsruhe, Freiburg oder Mannheim vergleicht, mutet die Erhöhung freilich immer noch unbescheiden an. Setzt man die Vergütung in Relation zur Aufwandsentschädigung, die Angehörige von Flüchtlingsfreundeskreisen, Übungsleiter in Vereinen oder Helfer in der stationären Krankenpflege erhalten, deren Arbeit der Gemeinderat zu Recht lobt, wird die Diskrepanz eklatant. Schon ist die Rede von Ehrenämtern erster und zweiter Klasse.

Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Aufwand und Entschädigung ist nötig, um Stadtratsarbeit auch in Zukunft attraktiv zu machen. Da stellt sich die Frage, ob es etwa eines eigenen Unterausschusses bedarf, dessen Mitglieder Zeit damit verschwenden, die Konsistenz von Kita-Essen zu testen. Auch der Sinn unzähliger Anträge und Anfragen, die sich oft mit Marginalien befassen und gleichwohl in mehreren Ausschüssen durchgekaut werden müssen, wäre zu hinterfragen. Wer jedenfalls glaubt, ausgerechnet sein bürgerschaftliche Engagement müsse sich finanziell rechnen, entwertet das Ehrenamt und sollte die Finger vom kommunalpolitischen Geschäft lassen. Wahrhaft verdienstvoll wäre es, Stadträte würden es wie die meisten Freiwilligen in erster Linie als Ehre begreifen, sich für das Gemeinwohl zu engagieren.