Nach den guten Nachrichten der Steuerschätzer träumt die Bundesregierung von einem Staatshaushalt ohne neue Schulden. Doch selbst in guten Zeiten bleibt die Koalition den Beweis schuldig, dass sie sparen will, findet StZ-Korrespondent Roland Pichler.

Stuttgart - Bisher ist jeder Finanzminister der Versuchung unterlegen: In schöner Regelmäßigkeit vernehmen die Bürger das Versprechen der Regierenden, dass ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden unmittelbar bevorstehe. Finanzminister Hans Eichel (SPD) datierte diese Verheißung auf das Jahr 2006, sein Nachfolger Peer Steinbrück (SPD) entschied sich für 2011. Heute wissen wir, dass immer irgendetwas dazwischenkam. Seit 1969 ist es keiner Bundesregierung mehr gelungen, einen Etat ohne neue Kredite vorzulegen.

 

Deshalb wird auch die Ankündigung des Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) kaum Begeisterung auslösen, dass die Trendwende nun 2014 erreicht sein soll. Einige Zweifel scheint er ohnehin selber zu hegen. Denn anders als FDP-Chef Philipp Rösler, der mit der Ankündigung vorangeprescht ist, bleibt Schäuble vorsichtig: 2014 soll es nach seinen Worten einen nahezu ausgeglichenen Etat geben. Das Wortgeklingel macht deutlich, dass sich die Koalition ihrer Sache nicht sicher ist. Zu groß sind die Risiken der Eurokrise.

Erfreulich ist immerhin, dass die Steuerschätzer die Planungen von Bund, Ländern und Gemeinden bestätigt haben. Die Zeiten, in denen die Steuerquellen stärker sprudelten als erwartet, sind aber vorbei. Das Wachstum in Deutschland verlangsamt sich, bricht nach Meinung der Regierung aber nicht ab. Deshalb können die Finanzminister und Kämmerer auch in nächster Zeit mit mehr Geld rechnen. In diesem Jahr nehmen Bund, Länder und Gemeinden erstmals mehr als 600 Milliarden Euro ein. Bis 2014 soll das Aufkommen sogar auf 642 Milliarden Euro zulegen. Das ist beachtlich. Nach dem Geldsegen der vergangenen Jahre und den stabilen Prognosen für die Zukunft müssen die Bundesregierung und Länder die Frage beantworten, warum es mit dem Haushaltsausgleich nur langsam vorangeht. Der Bund machte beim Abbau der Neuverschuldung zwar Fortschritte, doch Zweifel bleiben.

Die Regierung hat die Konjunktur nicht zum Sparen genutzt

Irritierend wirkt es, wenn Schwarz-Gelb ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl plötzlich den Sparwillen entdeckt haben will. Union und FDP haben es mit ihrem Kurs, die Ausgaben im Bundeshaushalt in den vergangenen Jahren stabil zu halten, sicherlich weitergebracht als manche Regierung zuvor. Abgesehen von einzelnen Vorhaben wie dem Betreuungsgeld und der Steuersenkung, die der Bundesrat bisher blockierte, ist es Schäuble gelungen, die vielen Wünsche nach mehr Geld abzuwehren. Deshalb ist es auch eine gute Nachricht, wenn der Bund schon im nächsten Jahr das Ziel der Schuldenbremse erfüllt, was bedeutet, dass die Neuverschuldung nicht mehr als 0,35 Prozent des Sozialprodukts beträgt. Laut Grundgesetz muss dieser Wert spätestens 2016 erreicht sein.

Dennoch ist der Bundesregierung vorzuwerfen, dass sie die robuste Konjunktur der vergangenen Jahre nicht besser genutzt hat. Die Opposition legt zu Recht den Finger in diese Wunde. Von anderen Ländern fordert Deutschland zwar einen strikten Sparkurs, doch Berlin geht die Sache eher halbherzig an. Schäuble begründet das mit internationalen Absprachen, die darauf hinauslaufen, dass Staaten mit einer weniger schlechten Haushaltslage die Nachfrage nicht dämpfen sollen. Dennoch ist es fraglich, ob neue Sozialleistungen wirklich den Binnenkonsum beflügeln können.

Die Koalitionsspitzen werden bei ihrem Treffen am Wochenende wohl einige Wohltaten von der Rente bis zur Gesundheitspolitik beschließen. Verbunden werden soll dies mit dem Signal, dass die Haushaltskonsolidierung davon unberührt bleibt. Solche Aussagen sind ein Jahr vor der Wahl nicht belastbar. Ob sie eingelöst werden, wird sich erst nach dem Urnengang im September entscheiden. Damit bleibt ein fader Nachgeschmack. Wieder einmal hat es eine Regierung versäumt, den Beweis zu liefern, dass wirklich gespart wird.