Dass Stuttgart bei der Versorgung mit Strom und Gas mit der EnBW kooperiert, ist klug und pragmatisch, meint StZ-Redakteur Thomas Faltin. Jetzt wird es Zeit für eine Energiewende in der Stadt. Andere Kommunen haben es vorgemacht.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Um die Jahrtausendwende hatte die Stadt Stuttgart alle ihre Energieaktien an die EnBW verkauft – das darf man getrost als einen der größten politischen Fehler des Gemeinderates seit 1945 bezeichnen. Nun ist ein weiterer wichtiger Schritt getan worden, um diesen Fehler zu korrigieren: Die Stadtwerke Stuttgart und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) wollen künftig gemeinsam das Strom- und das Gasnetz betreiben. Der kommunale Einfluss steigt damit gewaltig.

 

Na und, werden sich viele Stuttgarter denken: Was geht mich das an? Hauptsache, der Strom kommt weiter bei mir an (und daran ist nicht zu zweifeln). Vorerst haben diese Bürger sogar recht, denn bis zum Jahr 2016 werden die beiden Energieversorger damit beschäftigt sein, ihr neues Unternehmen auf die Beine zu stellen und die Strom- und Gasleitungen vom übrigen EnBW-Netz zu entflechten.

Dann spüren hoffentlich die Kunden der Stadtwerke den Wind der Veränderung. Der Strompreis soll für sie sinken, wenn auch nur moderat, vielleicht um 30 bis 50 Euro pro Jahr und Familie. Vor allem soll es endlich mit der Energiewende losgehen, die – man darf das so drastisch ausdrücken – Stuttgart bisher verschlafen hat. Schwäbisch Hall oder Tübingen, die ihre Stadtwerke nie verkauft haben, drehen der Landeshauptstadt seit Jahren eine lange Nase.

Der grün-roten Landesregierung gefällt die Kooperation

Insofern war es unabdingbar, dass sich Stuttgart den Zugriff auf die Netze sichert. Dass der Partner nun EnBW heißt und dass die Stadt erst in fünf Jahren das alleinige Sagen haben wird, ist im großen Kontext kein Beinbruch. Diese Entscheidung hat pragmatische Ursachen, denn die EnBW hat bisher die Netze betrieben; so geht es nun sogar rückwirkend zum 1. Januar 2014 los mit der Kooperation. Und man vermeidet das Risiko, im Streit über die Entflechtung Zeit und Geld zu verlieren.

Dass, rein zufällig natürlich, die Kooperation auch der grün-roten Landesregierung gefallen wird und dass diese Kooperation, rein zufällig natürlich, trotz der objektiv angelegten Kriterien auch den politischen Willen des Stuttgarter Gemeinderates abbildet, macht den Beschluss zu einer fast schon zu harmonischen Angelegenheit. Nur die Linke spuckt in die Suppe.

Energiepolitisch ist die EnBW allerdings nicht erste Wahl, denn Mitbewerber wie die Elektrizitätswerke Schönau und die Stadtwerke Schwäbisch Hall haben längst bewiesen, dass sie die Energiewende bewältigen können. Die EnBW dagegen befindet sich nach dem Rückkauf durch das Land im größten Wandlungsprozess ihrer Geschichte, dessen Ausgang offen ist – weder wirtschaftlich noch thematisch ist ganz klar, wohin das Unternehmen steuert, auch wenn ihm der Wille, das Ruder herumzureißen, nicht abzusprechen ist.

Auch Stuttgart braucht eine energiepolitische Strategie

Die EnBW muss aber jetzt beweisen, dass sie bereit und in der Lage ist, die Netze in Stuttgart so umzubauen, dass sie den Anforderungen einer dezentralen Energieversorgung gerecht werden. Und sie muss beweisen, dass sie kommunal denken kann – sie darf beim Betrieb der Netze in Stuttgart nicht ihre Interessen im ganzen Land im Blick haben. Dass der Konzern eine kurze Übergangszeit von fünf Jahren angeboten hat, bis die Stadtwerke die Mehrheit erhalten, ist für das neue Denken kein Indiz: Es war der Druck der guten Konkurrenzangebote, der die EnBW dazu bewogen hat.

Umgekehrt muss auch die Stadt Stuttgart endlich sagen, wohin sie eigentlich will. Die Stadtwerke sind, mit bisher lauem Erfolg, in den Strom- und Gasvertrieb eingestiegen. Sie kaufen Windräder irgendwo in Deutschland. Und sie haben nun die Netze zurückgeholt. Ein Ganzes ist das noch nicht. OB Fritz Kuhn (Grüne) hat angekündigt, bis zum Jahresende ein Energiekonzept für Stuttgart vorzulegen – zwei Jahre nach seinem Amtsantritt. Man kann nur hoffen, dass es deutlich schneller umgesetzt wird, als es erdacht worden ist.