Beim G-20-Gipfel in St. Petersburg lässt sich US-Präsident Obama von seiner Isolation nicht beirren. StZ-Redakteur Christian Gottschalk hält den absehbaren militärischen Alleingang der USA für ein Fiasko.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

St. Petersburg - Die Katholiken sind die größte Glaubensgemeinschaft der Vereinigten Staaten. Das klingt machtvoller, als es ist. Die katholische Stärke beruht darauf, dass die Protestanten in unzählige Gruppierungen zersplittert sind. Letztlich sehen gerade einmal 25 Prozent der US-Bevölkerung ihren geistlichen Führer in Rom. Dass sich Papst Franziskus nun sehr deutlich gegen einen Militärschlag in Syrien ausgesprochen hat, wird in Washington daher keinen gewaltigen Eindruck hinterlassen. Barack Obama bleibt wild entschlossen, schon bald den Startbefehl zu geben.

 

Dass es dem US-Präsidenten an der Zustimmung der Vereinten Nationen zu seiner Strafaktion fehlt, scheint ihn ebenfalls nicht weiter zu stören. Andererseits will der Friedensnobelpreisträger dann doch nicht ohne den Segen einer respektablen Instanz zu Felde ziehen. Da er diesen absehbar auch nicht von den G-20-Staaten bekommen kann, hat er die Rolle der UN kurzerhand auf den US-Kongress übertragen. Auch da muss Obama für seine Pläne werben. Doch ganz so hartnäckig, wie Russland und China sich in New York verweigern, werden es die Politiker in Washington schon nicht tun, lautet die Hoffnung. Die Wahrscheinlichkeit, dass Senat und Repräsentantenhaus grünes Licht geben, ist jedenfalls höher, als dass Russland seine Vetohaltung in der Syrienfrage aufgibt.

Syrien wird zum Fiasko für die Weltgemeinschaft

Die Zustimmung des Kongresses mag Obama ruhiger schlafen lassen. Daran, dass ein Beschuss Syriens ohne Beschluss der Vereinten Nationen dem Völkerrecht widerspricht, ändert sie nichts. Die UN-Charta sieht exakt zwei Fälle vor, in denen ein Staat Gewalt gegen andere Staaten einsetzen darf. Da ist zum einen das Recht auf Selbstverteidigung und zum anderen die Autorisierung durch den Sicherheitsrat. An beidem fehlt es Obama. Schlägt er nun trotzdem los, so zeigt das zweierlei: militärische Stärke wiegt mehr als internationale Regeln, und die Vereinten Nationen sind ein weitgehend zahnloser Tiger. Beides ist für sich genommen gefährlich genug, in der Kombination gilt das ganz besonders.

Das Syriendilemma ist schon lange auch zu einem Fiasko für die Weltgemeinschaft geworden. Es macht deutlich, wie dringend die UN ihre eigenen Regeln überarbeiten müsste. Zumal es nicht das erste Mal ist, dass sich der vermeintlich Stärkere nicht um diese Regeln schert. Dass etwas geschehen muss, ist allen Beteiligten bekannt. Seit ziemlich genau 20 Jahren tagt eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel, das System zu modifizieren. An Vorschlägen, den Sicherheitsrat neu zu gestalten, hat es auch nicht gemangelt. Der Streit über die Zahl der Sitze und über die Vergabe der Plätze in dem Gremium ist aber regelmäßig so groß, dass noch keine Idee auch nur annähernd konsensfähig gewesen ist. Dabei wird das größte Problem meist ausgeklammert, das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder.

Amerika fügt der Welt Schaden zu

Ohne eine Änderung in diesem Punkt blieben alle anderen Reformen kosmetischer Natur. Ohne die Zustimmung von Russland, Frankreich, Großbritannien, China und den USA kann an der bestehenden Vetoregelung nichts verändert werden. Dass sich die Weltgemeinschaft neue Regeln gibt, scheint daher auf absehbare Zeit ausgeschlossen zu sein. Umso wichtiger ist es, wenigstens die bestehenden einzuhalten – schon aus Eigeninteresse. Denn es wird künftig auch außerhalb der westlichen Allianz militärisch starke Staaten geben. Es wird Staaten geben, die glauben, eine gute Begründung dafür zu haben, ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Sie werden mit Verweis auf die USA dann das Recht in Anspruch nehmen, ebenfalls die UN-Charta zu missachten.

Auch wenn sich UN-Mitglieder weniger leicht überzeugen lassen als US-Parlamentarier, wäre es richtig, mehr in die Suche nach einem Kompromiss zu investieren. Mit einem Alleingang fügt Amerika der Welt langfristig großen Schaden zu.