2012 ist für das Gros der Arbeitnehmer gut gelaufen – sie haben mehr Geld in den Taschen. Nicht viel schlechter könnte das neue Jahr werden. Doch gibt es auch Verlierer, meint der StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - So kann es gerne weitergehen: aus der Sicht vieler Arbeitnehmer hat 2012 die Hoffnungen voll erfüllt. Fast überall, wo es etwas zu verteilen gab, wurden die Tariflöhne so stark angehoben, dass sie die Inflationsrate klar übertroffen haben. Die Metaller erzielten gar die höchste Steigerung der vergangenen 20 Jahre. Zugleich erreichte die Zahl der Erwerbstätigen neue Rekordstände. Zwar schwächelt die Konjunktur seit dem Herbst, doch just zum Jahreswechsel weicht der Pessimismus einer verhaltenen Zuversicht. Große Einbrüche werden nicht mehr erwartet.

 

Während die Eurokrise die Beschäftigten in etlichen Ländern in den Abgrund zieht, steht das Gros der Arbeitnehmer hierzulande mit gefüllten Taschen da. Das Modell Deutschland funktioniert – und wenig deutet darauf hin, dass sich dies 2013 ändern wird. Die Aussichten für den Arbeitsmarkt sind nicht mehr ganz so glänzend. Es gibt aber keinen Grund, zur früheren Verzagtheit zurückzukehren.

Gewerkschaften schüren die Erwartungen

Wie gesagt: so kann es weitergehen, denn dem Megatarifjahr 2012 folgt alsbald eine ganze Reihe weiterer gewichtiger Gehaltsrunden. Für 12,5 Millionen Beschäftigte werden neue Tarifverträge ausgehandelt. Die Gewerkschaften schüren schon die Erwartungen, dass sie die Reihe markanter Abschlüsse fortsetzen können – insbesondere im öffentlichen Dienst der Länder. 6,5 Prozent fordern Verdi und der Beamtenbund, womit sie an das günstige Abkommen mit den Kommunen anknüpfen wollen. Die Gewerkschaften haben einen einleuchtenden Grund, mutig für Lohnzuwachs einzutreten: wenn der ohnehin überalterte Staatsdienstapparat für den Nachwuchs immer unattraktiver wird, verliert er weiter an Boden und blutet aus. Wollen wir einen stark geschwächten öffentlichen Dienst?

Welche Prozentzahl die IG Metall demnächst ausrufen wird, muss sie noch diskutieren. Dass die Arbeitgeber versuchen, die Euphorie zu bremsen, ist normal. Entscheidend sind jedoch die Auftragseingänge. Bleiben sie auf hohem Niveau, dürfte die Forderung der Metaller erneut nicht von Bescheidenheit geprägt sein. Es kann der Binnenkonjunktur nur guttun, wenn die Arbeitnehmer mehr Geld zum Ausgeben bekommen – gerade dann, wenn der Export 2013 schwächer laufen sollte.

Doch darf nicht übersehen werden, dass die deutsche Wirtschaft nicht die Quadratur des Kreises beherrscht nach dem Motto: Löhne rauf – dann geht es allen besser. Vielmehr hinterlässt die vordergründig so erfreuliche Entwicklung nicht wenige Verlierer. Das sind Millionen von Beschäftigten in Leiharbeit und befristeter Anstellung, mit Mini- oder Teilzeitjobs. Jeder dritte Arbeitnehmer hat – oft unfreiwillig – kein normales Arbeitsverhältnis. Von diesen bekommt Studien zufolge mehr als die Hälfte nur einen Niedriglohn. Bei den prekär Beschäftigten halten sich die Unternehmen und der öffentliche Dienst schadlos, um ihre Personalkosten zu drücken.

Höchste Zeit, Grenzen einzuziehen

Lohnsteigerungen auf Kosten Dritter bringen die Gesellschaft in eine Schieflage. Es wäre somit höchste Zeit, Grenzen einzuziehen, um die Spaltung der Arbeitswelt zu stoppen – mit einem gesetzlichen Mindestlohn vor allem. Doch in dieser Frage ist Schwarz-Gelb völlig uneins. Fast alle sind dafür, nur die FDP nicht. Es mag freilich sein, dass sich der Widerstand der Liberalen gegen die Lohnuntergrenze bald erübrigt, weil die Koalition für einen Wahlsieg im Herbst auf die Stimmen aus dem Arbeitnehmerlager angewiesen ist.

Wegen der Bundestagswahlen liegt es gerade voll im Trend, sich für die Sache der Beschäftigten einzusetzen. Das Buhlen um den Wähler könnte diesmal sogar die Länder zu einer spendablen Haltung veranlassen. Das macht es zwar schwerer, ihre hochdefizitären Haushalte zu entlasten, aber immerhin: Die Lohnempfänger dürfen sich auf ein ergiebiges Jahr 2013 freuen.