Von der Spitzenküche darf man alles erwarten – alles außer Gewöhnlichem, meint StZ-Autor Matthias Ring.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Da wir keine privaten Hobbyköche beschreiben und bewerten, verzichten wir auch auf einen Besuch bei Kochprofis, die ihr Restaurant nur noch aus Liebhaberei betreiben. Der von manchen Spitzenköchen als „Revolverblatt“ bezeichnete „Gault Millau“ äußert sich wenig gnädig zu Ernst Karl Schassbergers Entschluss, seinen Stern zurückzugeben, der im dafür zuständigen „Guide Michelin 2012“ kurioserweise noch aufgeführt ist. Schassberger will am Ebnisee „eine kreative und unkomplizierte Küche anbieten“. Das steht ihm zu, ohne dass er als Fahnenflüchtling diffamiert wird. Denn wie die aus Liebhaberei entstandene Bo’teca beweist: eine herausragende Küche ist nicht auf das Urteil der großen Führer angewiesen.

 

Dennoch, auch Sebastian Werning sagt: „Die Sterneküche ist die Formel 1“, was jetzt weniger mit Geschwindigkeit, sondern eher mit deren Gegenteil zu tun hat. Ohne sie als Speerspitze gäbe es kaum Neuerungen, kaum Entdeckungen, kaum unbeschreibliche Geschmackserlebnisse. Nichts gegen die Rückbesinnung auf das, was die Großmutter noch wusste, aber man muss ja nicht gleich zum Küchentaliban werden. Sterneküche funktioniert anders, auch über Wettbewerb und Exklusivität, weswegen man sie dann doch verteidigen muss. Wer seinen Zwiebelrostbraten mit Spätzle haben will, der soll ihn haben. Genauso wie jemand, der sich hin und wieder etwas Außergewöhnliches leisten will – und dafür vielleicht an anderer Stelle spart.

Immer wieder gerne angeführt wird das Bild von den Franzosen, die andere Prioritäten setzen und mit einer rostigen Laube zum Restaurant vorfahren. Wenngleich selbst an der Côte d’Azur ein Sternemenü für 39 Euro möglich ist – abends. Schneiden wir uns also von unseren Nachbarn eine Scheibe ab, ohne die zweifelhafte Gänsestopfleber zum nationalen Kulturgut erklären zu müssen. Zumindest aber, indem wir die deutsche Redensart, „was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht“, ignorieren. Denn trotz des allgemein erfreulichen Trends zur Regionalität darf und muss man von der Sterngastronomie gerade das erwarten, was man nicht kennt und als Hobbykoch schon gar nicht hinbekommen würde. Dafür brauchen wir sie, obwohl sich Liebhaberei und Leidenschaft auch anders darstellen können. Also, nur Mut, Herr Schassberger, alles ist möglich!