Präsident Erdogan greift nach dem versuchten Staatsstreich einiger Militärs rigoros durch – und führt sein Land in eine finstere Zukunft, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Die Worte des Ministerpräsidenten sprechen der Wirklichkeit Hohn. „Die Türkei ist ein Rechtsstaat“, sagt Binali Yildirim. „Alles wird im Rahmen der Gesetze gelöst.“ Tatsächlich jedoch herrscht seit dem Umsturzversuch einiger Militärs nicht das Recht, sondern die Willkür. Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzt wie befürchtet die Gelegenheit, den Staatsapparat umfassend zu säubern. Der Putsch nach dem Putsch ist in vollem Gange.

 

Zehntausende Angehörige des Militärs, von Polizei, Verwaltung und Justiz hat Erdogan verhaften oder suspendieren lassen. Bereits das hohe Tempo und die riesig große Zahl der Entlassungen schließen aus, dass hier nach Recht und Gesetz gehandelt wird. Erdogans Furor macht nicht einmal vor Hochschulrektoren und Lehrern halt: als ob diese an einem bewaffneten Staatsstreich beteiligt gewesen wären. Offensichtlich sucht der Präsident nicht nach Putschisten, sondern will ein für alle Mal die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen zerschmettern – jenes Mannes, den er selbst zum Staatsfeind Nummer eins erklärt. Ohne dafür öffentlich Belege vorzuweisen.

Pogromstimmung – von der Staatsspitze erzeugt

Erdogan erzeugt eine Pogromstimmung gegen alle, die seiner herrschenden Partei AKP tatsächlich oder auch nur vermeintlich im Wege stehen: ganz egal, ob es andersdenkende Muslime, Kurden, Aleviten oder Christen sind. Sie alle leben jetzt in großer Angst, von den staatlichen Säuberungsaktionen und den Übergriffen eines von der Staatsspitze aufgepeitschten Mobs erfasst zu werden. Der türkische Präsident ist entweder dabei, sein Land in eine finstere Diktatur zu verwandeln – oder einen Bürgerkrieg zu entfachen, wenn sich die Furcht der jetzt Verfolgten in Wut und Widerstand verwandelt.