Der drohende Bürgerkrieg in der Ukraine ist vorerst abgewendet. Auch mit Hilfe der EU ist ein Kompromiss gefunden worden. Doch hält dieser auch? Der StZ-Politikchef Rainer Pörtner ist skeptisch.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Es war eine Reise mit hohem politischen, auch mit persönlichem Risiko. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und seine Amtskollegen aus Warschau und Paris haben sich nach Kiew gewagt, mitten hinein in die blutige Eskalation, um den Ukrainern zu helfen, einen Bürgerkrieg zu verhindern. In vielstündigen Verhandlungen mit Präsident Viktor Janukowitsch und Oppositionsführern haben sie immerhin einen Weg aufgezeigt, wie das Land aus dem Zirkel von Gewalt und Gegengewalt herauskommen kann.

 

Die Repräsentanten der EU haben Mut bewiesen. Sie haben gezeigt, dass ein gemeinsames Auftreten der politischen Führer Europas Gutes bewirken kann. Ein wohltuendes Signal nach Wochen des Hin-und-Her-Lavierens, nach einer Phase erschreckender Untätigkeit. Sie standen den Ukrainern in der Not zur Seite – aber noch ist nicht entschieden, ob diese Hilfe wirkt, ob sie von allen entscheidenden Kräften in der Ukraine wirklich angenommen wird.

Janukowitsch hat der Beschränkung präsidentieller Rechte, einer Übergangsregierung und vorgezogenen Wahlen von Parlament und Staatsoberhaupt zugestimmt, weil ihm weit Schlimmeres drohte – aus dem Amt gejagt zu werden, vor einem Strafgericht zu landen oder sogar mit dem Leben für seine Untaten zu bezahlen. Er sah den Rückhalt in den eigenen Reihen schwinden. Polizeieinheiten, Armeeführer und wichtige Politiker seiner Partei hatten sich bereits abgewandt. Die EU drohte ihm und seiner Clique mit Sanktionen. Wird er jetzt sein Wort halten? Oft genug hat er dieses in den letzten Wochen gebrochen.

Der Pakt von Kiew ist äußerst zerbrechlich

Angesichts des unglaublichen Leids und der vielen Toten stimmten auch die wichtigsten Oppositionsvertreter dem Kompromiss zu. Das zeugt von politischer Größe – zumal keineswegs gewiss ist, dass sie bei freien Wahlen mit ihrem europaorientierten Kurs die Mehrheit der Stimmen bekommen. Selbst die Verteidiger des Maidan-Platzes sagten Ja – obwohl sie die stärksten Gründe haben, den verhassten Präsidenten aus dem Amt zu jagen. Aber können sie nun dafür sorgen, dass die extrem radikalisierten Teile des Widerstands friedlich werden? Der Pakt von Kiew ist geschlossen, aber er ist äußerst zerbrechlich.

In der Nacht zu Freitag saß ein Emissär Wladimir Putins mit in den Verhandlungen. Den Kreml einzubeziehen war die einzig richtige Strategie. Die Ukraine ist und bleibt innerlich gespalten: der westliche Teil drängt Richtung EU, der Osten und der Süden orientieren sich weiter auf Moskau hin. Die Visionen russischer Machtpolitiker, die Ukraine zurück in eine von Moskau beherrschte Neuauflage der UdSSR zu ziehen, wirken ebenso unheilvoll wie die naive Vorstellung in westeuropäischen Hauptstädten, die Ukrainer würden sich in toto und von Herzen der EU zuwenden.

Ist die EU bereit, mit Geld zu helfen?

Bei rationaler Abwägung kann auch Putin kein Interesse an einer Ukraine haben, die von inneren Spannungen gezeichnet ist – bis hin zur Gefahr, dass das Land auseinanderbricht. Frieden und Wohlstand wird es zwischen Lemberg und Donezk nur geben, wenn die Ukraine mit Moskau wie Brüssel gut auskommt. Deshalb kann das Land seine inneren Konflikte nur lösen, wenn Russland und die EU an einer Verständigung beteiligt sind.

Moskau ist bereit, seine Interessen mit viel Geld durchzusetzen. Mehr als 15 Milliarden Euro bot Putin im Dezember an, um Janukowitsch gewogen zu halten. Brüssel wollte, als die Ukraine das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnen sollte, nur ein paar hundert Millionen Euro überweisen. Inzwischen taumelt die Ukraine wirtschaftlich dem Abgrund entgegen, der Staatsbankrott ist nicht mehr weit entfernt. Ihn abzuwenden wird Geld kosten, sehr viel Geld. Die EU war bereit, Diplomaten nach Kiew zu entsenden. Ist sie nun auch bereit, mit einigen Milliarden Euro zu helfen?