Bundeskanzlerin Angela Merkel schlägt beim Arbeitgebertag eine andere Tonart an als bisher. Weitere Belastungen für die Wirtschaft will sie offenbar vermeiden, kommentiert der StZ-Redakteur Roland Pichler.

Berlin - Der Deutsche Arbeitgebertag ist immer auch ein Stimmungsbarometer. Wenn 1500 Unternehmer und Manager in Berlin zusammenkommen und die Reden von Politikern verfolgen, ist dies Gradmesser für Befindlichkeiten. Die Sorgen wegen konjunktureller Bremsspuren haben zugenommen. Mit ihrem Auftritt vor den Wirtschaftsführern hat Kanzlerin Angela Merkel gezeigt, dass sie mit ihrer breiten Mehrheit nicht auf die Unterstützung der Wirtschaft angewiesen ist. Die deutsche Regierungschefin tritt selbstbewusst auf und verteidigt demonstrativ die von den Arbeitgebern bekämpfte Frauenquote für Aufsichtsräte. Mit Merkel ist die von einigen Unionspolitikern geforderte radikale Kurskorrektur nicht zu machen. Dennoch fällt auf, dass die Kanzlerin inzwischen eine andere Tonart anschlägt. Das Signal ist klar: Neue Belastungen für die Wirtschaft sollen vermieden werden. Noch sind das allerdings sanfte Zeichen.

 

Deutlich wird dies am Beispiel Rente. Auf dem Arbeitgebertag hat die Kanzlerin in ihrer vorsichtigen Art etwas angekündigt, was bei Sozialpolitikern und Gewerkschaften zu langen Gesichtern führen dürfte. Die Bundesregierung ist entschlossen, im nächsten Jahr die Beiträge zur Rentenversicherung zu senken. Davor hatten Gewerkschaften gewarnt. Nachdem es der Regierung im ersten halben Jahr vor allem darum ging, soziale Wohltaten zu verteilen, rücken nun andere Aspekte in den Fokus: Die Lohnnebenkosten sollen möglichst stabil gehalten werden, verspricht Merkel. Das ist schon deshalb nicht so einfach, weil im nächsten Jahr die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen.

Ein Nachdenken hat eingesetzt

Wichtiger noch sind die Klarstellungen in einem anderen Punkt: In der Frage flexibler Rentenübergänge markiert die Bundeskanzlerin eine rote Linie. Überlegungen aus der SPD und dem Gewerkschaftslager, Arbeitnehmern schon mit 60 Jahren eine Teilrente zu ermöglichen, erteilt Merkel eine Absage. Mit neuen Versprechen soll jetzt Schluss sein. Das kommt einem kleinen „Basta“ in der Sozialpolitik gleich.

Dass in Berlin ein Nachdenken über den künftigen Kurs eingesetzt hat, lässt sich auch am Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) festmachen. Gabriel hat in seinem Haus Vorschläge zum Bürokratieabbau erarbeiten lassen. Der Minister will Gründer von den Informationspflichten befreien und Abschreibungsbedingungen für Betriebe verbessern. Ob das so kommt, ist wegen der Finanzierung zwar noch offen, doch wenigstens tut sich etwas.

Zustimmung zur Europapolitik

Eine Erklärung für den Tatendrang dürfte in den Wirtschaftsdaten zu suchen sein. Die Regierung beurteilt die wirtschaftliche Lage mittlerweile skeptischer. Die konjunkturellen Risiken hätten zugenommen, und die Lage im Euroraum sei nach wie vor brüchig, räumt Merkel vor den Wirtschaftsführern ein. Dass sich der Euroraum noch immer in einer Vertrauenskrise befindet, zeigen schon die ständigen Debatten über den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Es ist gerade die Europapolitik, die Merkel im Arbeitgeberlager trotz Kritik an der Innenpolitik viel Zustimmung sichert. Wenn die Kanzlerin davon spricht, dass Europa wettbewerbsfähiger werden muss und die Sparziele einzuhalten sind, findet dies nicht nur in der Wirtschaft Beifall.

Mit dem Start hat die große Koalition bei den Unternehmen Vertrauen verspielt. Etwa mit dem gesetzlichen Mindestlohn, der 2015 eingeführt wird und ein Experiment mit unbekanntem Ausgang ist. Von weiteren Regulierungen des Arbeitsmarktes sollte Schwarz-Rot absehen. Das gilt etwa für neue Auflagen zu den Werkverträgen. Ein klarer Pluspunkt ist dagegen die Absicht der Regierung, erstmals seit Langem einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Regierung muss nun beweisen, dass sie dieses Versprechen auch bei Gegenwind einlösen kann.