Der Energiekonzern wird zu einer Belastung für das Land, befürchtet StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs. Außerdem fehlt eine klare Strategie.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Wer Winfried Kretschmann nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Mai vergangenen Jahres fragte, welches Thema ihm am schwersten im Magen liege, bekam eine eindeutige Antwort: „Schlaflose Nächte“ bereite ihm nicht der Dauerkonflikt um Stuttgart 21, sondern die ungewisse Zukunft des Energieversorgers EnBW. Der befindet sich nach dem Spontankauf seines Amtsvorgängers Stefan Mappus zu fast der Hälfte im Landesbesitz. Seit Mittwoch ist klar, dass Kretschmanns Sorgen berechtigt waren.

 

Nicht nur hat das Unternehmen des scheidenden Konzernchefs Hans-Peter Villis im vergangenen Jahr einen traurigen Rekordverlust von mehr als 800 Millionen Euro eingefahren. Villis warnte auch die Eigentümer – das Land Baden-Württemberg und den Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) –, vor weiteren mageren Jahren mit niedrigeren Gewinnen und hohen Investitionen. Während die Oberschwaben nach Jahren reichlicher Dividende damit wohl noch leben können, wird die ungeliebte Beteiligung für den Landeshaushalt und die ihn verantwortende Regierung zu einer schweren Hypothek. Denn anders als nach den Versprechungen von Stefan Mappus, der am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags seine Sicht des EnBW-Kaufs darstellen wird, reicht die erwartete Dividende des Energiekonzerns nun eben nicht, um die Last des Kredits zu tragen, den das Land zur Finanzierung aufgenommen hat.

Die EnBW hat die größten Probleme unter den Konzernen

Nun hat nicht allein die EnBW die Unbilden des Ausstiegs aus der Atomenergie zu tragen. Vor einem Jahr – wirklich erst einem Jahr – ist der Atomreaktor in Fukushima explodiert. Danach blieb in der deutschen Energiewirtschaft kein Stein auf dem anderen. Unter dem hektischen Ausstieg leiden auch die anderen großen Energiekonzerne. Der Essener Konkurrent RWE hat erst diese Woche einen Gewinneinbruch verkündet, und Marktprimus Eon wird nächste Woche wohl auch einen Verlust bekannt geben. Doch von allen Großversorgern sind die Karlsruher in der schwierigsten Situation. Sie waren am stärksten von der Atomenergie abhängig, haben also nun die größten Probleme, in der Energieerzeugung das Ruder herumzureißen.

Der Ausbau des strategisch wichtigen Gasbereichs kam kaum voran, und überall im Land gründen sich Stadtwerke, die vor allem ein Ziel gemeinsam haben: den ungeliebten Monopolisten EnBW vor der Türe zu halten. Und zu guter Letzt hat das Land zwar im Dezember den Vorstandschef Villis dazu gebracht, auf eine Vertragsverlängerung zu verzichten. Er wird die EnBW spätestens im Herbst verlassen, die großen Veränderungen muss sein Nachfolger umsetzen. Nur: von dem ist nichts zu sehen. Und bevor er kommt, müssen die EnBW-Eigentümer ihre Hausaufgaben machen.

Der Regierung fehlt eine klare Strategie

Schon die schwarz-gelbe Landesregierung hatte keinen Plan, was sie denn nach der Renationalisierung mit ihrer neuen Tochter anfangen wollte. Für die Entwicklung einer Strategie sei der Vorstand zuständig, beschieden diverse Minister der Regierung Mappus. Die jetzige Regierung bewegt sich in dieser Frage bis jetzt leider in der Tradition ihrer Vorgängerin.

Denn obwohl es bei der EnBW mit lediglich zwei wesentlichen Aktionären sogar leichter ist als in vielen anderen Konzernen, gibt es keinen bekannten Konsens in wesentlichen Fragen. Um nur einige zu nennen: Trägt die OEW den Kurs der Landesregierung zum forcierten Ausbau vor allem erneuerbarer Energien mit? Wie schnell muss der Wechsel gelingen? Wie sichert die EnBW trotz des eingeschlagenen Kurses vertretbare Strompreise für die energieintensive Industrie und die Verbraucher? Darauf zu hoffen, dass der neue Konzernchef, wann immer er kommt, die Antworten auf diese Fragen mitbringt, ist zu wenig. Der EnBW – und auch dem Land – läuft die Zeit davon.