Zur Rettung Zyperns vor der Pleite werden auch Bankkunden zur Kasse gebeten. Im Namen der Gerechtigkeit könnte das Vertrauen in den Euro erneut leiden, meint StZ-Korrespondent Christoph Ziedler.

Brüssel - Vielleicht geht der 16. März 2013 einmal als der Tag in die Geschichte ein, an dem das Ende der Gemeinschaftswährung Euro seinen Anfang nahm. Zwangsläufig ist das glücklicherweise nicht. Vermutlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Eurostaaten in einer weiteren Nachtsitzung eine fatale Fehlentscheidung getroffen haben, nicht einmal besonders groß. Sicher aber lässt sich sagen, dass die Finanzminister den bisher riskantesten Beschluss in der Eurokrise gefällt haben.

 

Erstmals überhaupt werden in dieser Krise die Einlagen von Bankkunden angetastet. Aus einem Gerechtigkeitsempfinden heraus ist das vollauf verständlich. Die Hinweise darauf, dass erkleckliche Summen russischen Schwarzgelds auf der Mittelmeerinsel quasi steuerfrei lagern, sind kaum zu übersehen. Das Vermögensmanagement für Moskauer Milliardäre abzusichern darf nicht Aufgabe der europäischen Steuerzahler sein. In der real existierenden Finanzwirtschaft aber könnte sich der Versuch, Fairness walten zu lassen, als extrem gefährlich erweisen.

Es war auch sozial gerecht, private Investoren über einen Schuldenschnitt an der Griechenlandrettung zu beteiligen. Sie machten auch fast freiwillig mit, weil für die Besitzer der Staatsanleihen die Gefahr bestand, das Geliehene gar nicht wiederzusehen. Die Folgen aber waren verheerend – einmal ganz abgesehen davon, dass die gesellschaftliche Akzeptanz des Hilfsprogramms für Athen nicht entscheidend gestiegen ist: In den Monaten danach verloren die Investoren das Vertrauen in Schuldtitel auch anderer Krisenländer. Erst Mario Draghi konnte im vergangenen Sommer den Käuferstreik beenden und den Kollaps der Eurozone verhindern, indem er für die Europäische Zentralbank ankündigte, notfalls Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aufzukaufen. Genau deshalb betonte ein EU-Gipfel nach dem andren, dass das in Griechenland Geschehene ein einzigartiger Vorgang gewesen sei.

Beschluss gefährdet Menschen und der Marktteilnehmer

Nun ist der Vorgang auf Zypern angeblich einzigartig. Die Eurozone wird Glück haben müssen, wenn das noch immer nicht ganz wieder hergestellte Vertrauen der Kapitalseite nicht erneut erschüttert wird. Man darf allen Beteiligten ruhig abnehmen, wenn sie versichern, die Fürs und Widers der verschiedenen Optionen genau abgewogen zu haben. Für den Fortbestand der Eurozone ist das Vertrauen der Menschen schließlich nicht weniger wichtig als das Vertrauen der Marktteilnehmer.

Ein Spiel mit dem Feuer ist der Beschluss deshalb, weil er beides gefährdet. Sicher wird der euphemistisch „Stabilitätsabgabe“ genannte Schnitt viele zu Recht treffen. Aber die Euro-Krisenmanager machen bei den Wohlhabenden nicht halt. Alle Sparer müssen bluten – auch jene, die sich nur ein wenig für die Ausbildung der Kinder oder das eigene Alter zurückgelegt haben. Als Ausweis der Fairness gilt den europäischen Partnern, dass der Verlust für sie prozentual geringer ausfällt. Aber um es klar zu sagen: Was die deutschen Sozialdemokraten und Bundesfinanzminister Schäuble erreicht haben, ist ein wenig mehr Gerechtigkeit in Deutschland und mehr Ungerechtigkeit auf Zypern.

Den Gegensatz aufheben kann nur ein europaweiter Bankenabwicklungsfonds, den die Geldinstitute füllen. Dass dieses zentrale Element nach fast fünf Jahren Finanzkrise noch immer als Zukunftsprojekt firmiert und in diesem Sommer überhaupt erst von der EU-Kommission auf den Weg des Gesetzgebungsprozesses gebracht werden soll, ist und bleibt ein Skandal.

Die Gefahr eines Bankruns nicht nur auf Zypern ist jetzt real – schlicht und ergreifend deshalb, weil die gesetzlich begründete Hoffnung der Sparer, Einlagen bis 100 000 Euro seien sicher, mit dem radikalen Politikwechsel der Eurostaaten gründlich enttäuscht worden ist. „„Wir hoffen“, hat ein gezeichneter zyprischer Finanzminister am frühen Samstagmorgen in die Mikrofone vielleicht auch im Blick auf andere Eurokrisenländer gesagt, „dass die Leute uns glauben, dass dies eine einmalige Maßnahme ist“,. Wenn nicht, wird der 16. März 2013 kein Datum wie jedes andere bleiben.