Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund den Fall des FC Bayern, der kürzlich ein Spiel in Saudi-Arabien bestritten hat?
Das Testspiel des FC Bayern in Saudi-Arabien fand unter rein kommerziellen Gesichtspunkten statt. Volkswagen bezahlte den Bayern angeblich eine siebenstellige Summe für ein Gastspiel in einem Land, in dem Frauen der Eintritt ins Fußballstadion verwehrt wird, in das Juden nicht einreisen dürfen und in dem der Blogger Raig Badawi wenige Tage vor dem Testspiel öffentlich ausgepeitscht wurde. Die Entscheidung, dort ein Testspiel auszutragen, ist schon fragwürdig. Völlig inakzeptabel ist meiner Meinung nach aber der völlig unkritische Umgang der Verantwortlichen mit den dort herrschenden Verhältnissen.
Einerseits liefert Deutschland Panzer an Saudi-Arabien, auf der anderen Seite steht der FC Bayern am Pranger, weil er dort kickt. Was erwarten wir vom Sport?
Die Lieferung deutscher Panzer an Saudi-Arabien ist eine politische Entscheidung der Bundesregierung, die sich dafür gegenüber der Öffentlichkeit verantworten muss. Wenn aber der FC Bayern bei einem Testspiel in Saudi-Arabien antritt, hat das auch eine politische Dimension. Nur verantworten wollte sich beim FC Bayern keiner. Die Menschenrechtsverletzungen seien Sache der Politik, hieß es. Es ist ein häufig verwendetes Argument, das aber nicht stimmt. Politik und Sport sind schon lange untrennbar verbunden. Das war bei den Putin’schen Propagandaspielen in Sotschi so, und das wird auch bei den Fußball-Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar so sein.
Also sollte der Sport dort einfach nicht hingehen?
Ich begrüße es ausdrücklich, dass solche Großereignisse auch in diesen Regionen stattfinden. Der Sport bietet tatsächlich die Möglichkeit, mit seiner Kraft menschenunwürdige Rahmenbedingungen in den Gastgeberländern zu verbessern. Aber dazu dürfen sich Funktionäre nicht länger hinter ihren Scheinargumenten verstecken und auf die Politik zeigen. Ein Fifa-Präsident, ein IOC-Präsident und selbst der Bayern-Vorstandsvorsitzende haben genügend Macht und öffentliche Aufmerksamkeit, um offensichtliche Missstände klar zu benennen.
Was sie in der Praxis aber nicht tun.
Leider. Stattdessen begegnen sie zweifelhaften Staatsführern und zwielichtigen Geldgebern völlig unkritisch, was den Schluss nahelegt, dass für diese Herren die Aussicht auf Millioneneinnahmen wertvoller ist als ein klares Wort für die Einhaltung der Menschenrechte. Dabei vertreten sie mit dem Sport eine Branche, die auf Werten wie Fairplay und Integrität basiert und die Millionen von Kindern und Jugendlichen als Vorbild für ihr tägliches Leben dienen soll.